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Bundespflegegeldgesetz PDF Drucken E-Mail
Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter hat zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundespflegegeldgesetz (BPGG) geändert wird, sowie einer Verordnung des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz, mit der die Verordnung über die Beurteilung des Pflegebedarfes nach dem Bundespflegegeldgesetz (Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz - EinstV) geändert wird (BMSK-40101/0011-IV/4/2008) folgende Stellungnahme abgegeben:

I.  Zum Bundespflegegeldgesetz

1. Grundsätzliches zur vorgeschlagenen Änderung des BPGG
Das mit 1.7.1993 in Kraft getretene Bundespflegegeldgesetz mit all seinen Novellierungen, insbesondere auch der „großen“ Novelle 1998 (BGBl. I 1998/111) feiert heuer seinen 15. Geburtstag und hat sohin eine 15-jährige Bewährung hinter sich. Das Österreichische Pflegegeldsystem (Bundespflegegeldgesetz samt Einstufungsverordnung) hat sich in dieser Zeit als ein sehr praxistaugliches, zielgenaues, abgestuftes System zur pauschalen Abgeltung pflegebedingter Mehraufwendungen erwiesen.

Hinsichtlich zweier Gruppen von Behinderten, den schwerstbehinderten Kindern und Jugendlichen sowie schwer geistig und/oder psychisch Behinderten zeigte die Praxis, dass die besondere Qualität und Intensität der Pflege, die diese beiden Personengruppen erfordert, im bestehenden Einstufungssystem nicht ausreichend berücksichtigt werden konnte.

Es ist daher sehr zu begrüßen, dass die vorgeschlagene Novelle zum Bundespflegegeldgesetz bzw. zur Einstufungsverordnung in ihrem Kernbereich an exakt diesen Schwachstellen angreift bzw. die diesbezüglichen Lücken schließt.

2. Zu den Änderungen im Einzelnen (BPGG)

2.1. Zu § 4 Abs 3 - 7 BPGG

2.1.1 Umschreibung der Personengruppen

In der Praxis wird wesentliche Bedeutung der Frage zukommen, ab wann von einer „schweren“ Funktionseinschränkung bzw. von einer „schweren“ geistigen oder „schweren“ psychischen Behinderung gesprochen werden kann. Dieses Problem stellt sich bei der pauschalen Umschreibung einer inhomogenen Gruppe, wie sie insbesondere die Gruppe geistig und psychisch schwer Behinderter darstellt. Es wird daher angeregt, nach Möglichkeit in den erläuternden Bemerkungen bestimmte Beispiele oder Parameter von medizinischer Seite anzuführen, die bei der späteren Auslegung der genannten Begriffe in der Praxis als Orientierungshilfe dienen können (Trisometrie 21? oä).

In § 4 Abs 5 wird an zwei Stellen als Beispiel für eine schwere geistige oder psychische Behinderung eine „dementielle Erkrankung“ genannt. Um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dass jede dementielle Erkrankung bereits eine „schwere“ geistige Behinderung darstellt, wird angeregt, bei dieser beispielsweisen Aufzählung ebenfalls das Wort „schwer“ einzufügen („insbesondere einer schweren dementiellen Erkrankung“).

2.1.2 Pauschaler Erschwerniszuschlag

Der im Gesetzesentwurf eingeschlagene Weg einer pauschalen Abgeltung durch „verbindliche Pauschalwerte“ wird ausdrücklich begrüßt. Der Verschiedenartigkeit der Auswirkungen der genannten Behinderungen im Alltagsleben wird im Rahmen der funktionsbezogenen Einstufung nach dem Bundespflegegeldgesetz ausreichend Rechnung getragen, indem bestehende Richt- oder Mindestwerte entsprechend dem tatsächlichen Betreuungsbedarf überschritten werden können bzw. bei Kindern und Jugendlichen der gesamte Differenzbedarf zu einem gleichaltrigen nicht behinderten Kind berücksichtigt werden muss. Diese auf die konkrete Pflegesituation abstellende Möglichkeit einer Differenzierung rechtfertigt es jedenfalls, den „zusätzlichen“ Erschwerniszuschlag, der eine bestimmte Intensität bzw. Qualität der Pflege, die durch das bestehende funktionsbezogene Einstufungssystem nicht erfasst werden kann, für diese Personengruppen pauschal durch Hinzurechnung eines bestimmten fixen Zeitwertes zu berücksichtigen.

Die Erreichung des Ziels dieser Novelle, mehrfach schwer behinderte Kinder und Jugendliche sowie schwer geistig oder schwer psychisch Behinderte in der Pflegegeldeinstufung besserzustellen, hängt wesentlich von der Klarstellung ab, dass der jeweilige Erschwerniszuschlag völlig getrennt von der bereits bestehenden funktionsbezogenen Einstufung zu sehen und daher jeweils zusätzlich zu gewähren ist. Es wird daher ausdrücklich begrüßt, dass in den erläuternden Bemerkungen zu Ziffer 1 zur geplanten Änderung der Einstufungsverordnung (§ 1 Abs 5) ausdrücklich von einer „neuen Betreuungsmaßnahme“ gesprochen wird, die pflegeerschwerende Faktoren zusätzlich zu den herkömmlichen Einstufungskriterien berücksichtigen soll, wobei die gleichzeitige Berücksichtigung der übrigen Betreuungsbedarfskritierien einschließlich systemimmanenter Überschreitungsmöglichkeiten unverändert aufrecht bleibt. Die EB zu § 4 Abs 3 - 7 BPGG bringen dies nicht in dieser Deutlichkeit zum Ausdruck, insb nicht hinsichtlich Abs 5 (schwer geistig oder schwer psychisch Behinderte). Der zu Abs 3 zu findende Hinweis „ Dabei sollen nun pflegeerschwerende Faktoren berücksichtigt werden, die bislang – auch durch die Zusatzkriterien für § 4 Abs. 2 Stufen 5 bis 7 - noch nicht Berücksichtigung fanden“, sollte zur Klarstellung auch zu Abs 5 angeführt werden.

2.1.3. Abstufung nach dem Alter

Die altersmäßige Abstufung, wie sie im Gesetzesvorschlag gewählt wird, erscheint nach den Erfahrungen in der Einstufungspraxis als sachgerecht. Ebenfalls erscheint sachgerecht, ab dem vollendeten 15. Lebensjahr einem behinderten Jugendlichen bereits dem Erschwerniszuschlag für Erwachsene zu unterstellen, weil ab dieser Altersgrenze der natürliche Pflegeaufwand bereits äußerst gering ist und daher auch die funktionsbezogene Einstufung im Wesentlichen bereits der eines erwachsenen Behinderten entspricht.

2.1.4. Es wird angeregt, § 4 Abs 3 BPGG wie folgt (zusätzlich) zu ändern:

„(3) Bei der Beurteilung des Pflegebedarfes von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 15. Lebensjahr ist nur jenes Ausmaß an Pflege zu berücksichtigen, das über das erforderliche Ausmaß von gleichaltrigen nicht behinderten Kindern und Jugendlichen hinausgeht. Hiebei ist auf die besondere Intensität der Pflege bei schwerst behinderten Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 7. bzw. bis zum vollendeten 15. Lebensjahr Bedacht zu nehmen. Um den erweiterten Pflegebedarf schwerst behinderter Kinder und Jugendlicher zu erfassen, ist abgestimmt nach dem Lebensalter jeweils zusätzlich ein Pauschalwert hinzuzurechnen, der den Mehraufwand für die pflegeerschwerenden Faktoren der gesamten Pflegesituation pauschal abzugelten hat (Erschwerniszuschlag).“

Diese Klarstellung hat keine wesentliche Änderung auf  die Einstufung, da sich – wie die Einstufungspraxis zeigt - zu Vollendung des 15. Lebensjahres der Pflegebedarf ohnedies bereits im Wesentlichen dem eines erwachsenen Behinderten angeglichen hat. Diese Änderung fügt sich zudem auch nahtlos mit den weiteren im Entwurf enthaltenen Änderungen (§ 4 Abs 3 bis 6 BPGG), bei denen ebenfalls das vollendete 15. Lebensjahr der maßgebliche Stichtag für die geplanten Erschwerniszuschläge sein soll, zusammen. Somit würde das Alter für die besondere Einstufung von Kindern und Jugendlichen (Differenzrechnung) mit dem des Erschwerniszuschlages für Kinder und Jugendliche zusammenfallen.

Diese Änderung ist auch erforderlich, um eine Gesetzwidrigkeit im vorgeschlagenen Text der Einstufungsverordnung zu vermeiden; vgl dazu insbesondere auch Pkt 2.4.2. zur Einstufungsverordnung.

2.2. Zu § 5 BPGG

Soll die Zielsetzung des Bundespflegegeldgesetzes weiterhin Bestand haben, für Pflegebedürftige, die Wahlmöglichkeit zwischen Betreuung und Hilfe in häuslicher Pflege durch den Einkauf von persönlicher Assistenz und der stationären Pflege zu erweitern (vgl RV 776 BlgNR 12 GP, S 4 zu § 1), ist es dringend notwendig, das Pflegegeld entsprechend zu valorisieren.

Zur im Entwurf getroffenen sozialpolitischen Entscheidung ist festzustellen, dass damit der Ausgleich des Geldwertverlustes nicht erreich wird, da seit 1996 die Anpassungen hinter dem Geldwertverlust stark zurückbleiben, während die Kosten von Pflegepersonal sich etwa entsprechend der Inflationsrate entwickelt hat.

In den erläuternden Bemerkungen zu Ziffer 1 wird angeregt, den Begriff der „systemimmanenten Überschreitungsmöglichkeiten“ zu ersetzen durch systemimmanenten Berücksichtigung des gesamten Pflegemehraufwandes im Vergleich zu einem gleichaltrigen nicht behinderten Kind oder Jugendlichen“. Da nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung Mindest-, Richt- und Fixwerte bei der Einstufung von behinderten Kindern und Jugendlichen keine Bedeutung haben, sondern für diese Personengruppe die Berücksichtigung des vollen Differenzpflegebedarfes in § 3 1. Satz angeordnet wird, könne der Begriff „Überschreitungsmöglichkeit“ allenfalls missverständlich sein; die diesbezügliche Differenzierung hat Auswirkungen bei der - sich bei Kindern und Jugendlichen richtigerweise nicht stellenden - Frage des erheblichen Überschreitens eines Mindestwertes.

2.3. Zu § 13 Abs 1 BPGG

Die vorgeschlagene Meldepflicht des Sozialhilfeträgers erscheint aus den in den Erläuterungen dargestellten Gründen sinnvoll.

2.4. Zu § 21 a Abs 1 Z 1 BPGG

Die Erleichterung des Zugangs zu Leistungen aus dem Unterstützungsfonds stellt eine wichtige Erweiterung der Unterstützung pflegender Angehöriger dar.

2.5 Zu § 22 Abs 1 Z 4 BPGG

Die Reduktion der Vielzahl von Entscheidungsträgern erscheint aus den in den Erläuterungen dargestellten Gründen sinnvoll.

II. Zur Einstufungsverordnung

1. Grundsätzliches zur Änderung der Einstufungsverordnung

Die im Entwurf enthaltenen Änderungen des § 1 Abs 5 und 6 stellen eine Umsetzung von Änderungen im Bundespflegegeld dar. Es kann daher auf die obigen Ausführungen verwiesen und festgehalten werden, dass diese Änderungen grundsätzlich begrüßt werden und zielsicher an bisherigen Schwachstellen des Systems ansetzen.

2.1. Zu den Änderungen im Einzelnen

2.2.  Zu § 1 Abs 5 EinstV

Es kann auf die zustimmenden Äußerungen zur Bezug habenden Bestimmung des Bundespflegegeldgesetzes verwiesen werden.

2.3.  Zu § 1 Abs 6 EinstV

Es wird angeregt, bei der beispielsweisen Aufzählung „insbesondere einer demenziellen Erkrankung“ ebenfalls, wie bereits oben zum Bundespflegegeldgesetz dargestellt, das Wort „schwere“ einzufügen, so dass es heißt: „insbesondere einer schweren demenziellen Erkrankung“.

2.4.  Zu § 2 Abs 4 EinstV

2.4.1.   Die diesbezügliche Formulierung im Verordnungstext erscheint missverständlich und greift - bezogen auf die Judikatur des obersten Gerichtshofes - zu kurz. In den Erläuterungen zu § 2 Abs 4 EinstV wird zutreffend ausgeführt, dass bei Kindern und Jugendlichen die Pauschalwerte des § 2 Abs 3 EinstV (ebenso wie die Richt- und Mindestwerte nach § 1 Abs 3 und 4 EinstV) nicht verbindlich sind. Zu beachten ist allerdings die gesetzlich normierte Schranke, wonach der gesamte Zeitaufwand für alle Hilfsverrichtungen mit höchstens 50 Stunden pro Monat zu berücksichtigen ist. Dies bedeutet im Ergebnis, dass für jede Hilfsverrichtung ein Hilfsbedarf von bis zu 50 Stunden in Frage kommen könnte, wobei jedoch insgesamt ein Hilfsbedarf von maximal 50 Stunden der Einstufung zugrunde gelegt werden kann.

Die vorgeschlagene Formulierung des § 2 Abs 4 erweckt den Anschein, als könnte nur für die Hilfsrichtung der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn ein Zeitwert von bis zu 50 Stunden veranschlagt werden. Vor allem aber weckt die Formulierung den Eindruck, dass für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn jedenfalls ein Hilfsbedarf im Ausmaß von bis zu 50 Stunden monatlich berücksichtigt werden kann. Dies kann zu Problemen führen, wenn auch nur eine zusätzliche Hilfsverrichtung zu berücksichtigen ist. Dies scheint, wie zumindest mehrere erstinstanzliche Urteile zeigen, beispielsweise bei einem 14-jährigen Jugendlichen im Zusammenhang mit der Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände (Aufräum- und teilweise Putzarbeiten des von ihm benützten Jugendzimmers) oder der Beischaffung von Nahrungsmitteln nicht ausgeschlossen zu sein. Insbesondere können aufgrund der Unbeachtlichkeit der pauschalen Fixwerte für diese Hilfsverrichtungen beispielsweise auch nur 5 Stunden pro Monat veranschlagt werden, was in Summe bei einem entsprechenden Hilfsbedarf für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn zu einer Überschreitung der 50-Stunden-Grenze führen könnte. Zu beachten ist, dass sich eine absolute Grenze von 50 Stunden für Hilfsverrichtungen im Gesetz nicht findet, sondern vielmehr nur als Anordnung an den Verordnungsgeber ( § 4 Abs 4 Z 3 PPGG).

Lösungsvorschlag: „Bis zum vollendeten 15. Lebensjahr kann für jede der in Abs 2 genannten Hilfsverrichtungen, insbesondere für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn, ein Hilfsbedarf von bis zu 50 Stunden monatlich berücksichtigt werden, wobei der gesamte Zeitaufwand für alle Hilfsverrichtungen insgesamt 50 Stunden nicht übersteigen darf.“

2.4.2. Ein weiteres Problem stellt die in § 2 Abs 4 EinstV vorgeschlagene Altersgrenze „vollendetes 15. Lebensjahr“ dar. Nach § 4 Abs 3 BPGG ist bei der Beurteilung von „Kindern und Jugendlichen“ jenes Ausmaß an Pflege zu berücksichtigen, das über das erforderliche Ausmaß von gleichaltrigen nicht behinderten „Kindern und Jugendlichen“ hinausgeht. Umfasst ist mangels Nennung einer ziffernmäßigen Altersgrenze daher die Gruppe der Minderjährigen nach § 21 Abs 2 ABGB, sodass der Differenzbedarf gegenüber gleichaltrigen Gesunden bis zum vollendeten 18. Lebensjahr maßgeblich ist (§ 3 Abs 4 Vbg PGG spricht in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich von „Minderjährigen“. Eine Ausnahme bildet insoweit nur § 2 Abs 3 Tir PGG, wonach der Grundsatz der Differenzrechnung nur bis zum vollendeten 14. Lebensjahr Anwendung findet). § 2 Abs 4 in der vorgeschlagenen Fassung findet daher mit seiner Einschränkung „bis zum vollendeten 15. Lebensjahr“ in § 4 Abs 3 BPGG keine Deckung und wäre daher gesetzwidrig!

Lösungsvorschlag: siehe Punkt 2.1.4. zum Bundespflegegeldgesetz

2.4. Weitere Vorschläge zur EinstV:

2.4.1. Um die Neuordnung der Einstufung von behinderten Kindern und Jugendlichen abzurunden, wird angeregt, zur Klarstellung in Einklang mit der Judikatur des OGH auch in § 1 Abs 3 und 4 EinstV diese Altersgrenze einzufügen:
§ 1 Abs 3: Bei der Feststellung des zeitlichen Betreuungsaufwandes ist ab dem vollendeten 15. Lebensjahr von folgenden - auf einen Tag bezogenen – Richtwerten auszugehen..........
§ 1 Abs 4: Bei der Feststellung des zeitlichen Betreuungsaufwandes ist ab dem vollendeten 15. Lebensjahr von folgenden - auf einen Tag bezogenen – Mindestwerten auszugehen..........

2.4.2. Festlegung eines Richtwertes für den im Zusammenhang mit der Ernährung einer behinderten Person mittels PEG-Sonde stehenden Zeitaufwand, wobei dieser Richtwert die notwendige Mundhygiene samt Verabreichung von Flüssigkeit und gelegentlich breiiger Nahrung, die Vorbereitung des Nahrungskonzentrates, das applizieren des Besteckes, die Befüllung, Konnektierung und Spülung der Sonde sowie die Reinigung und Desinfektion der Sondenstelle umfassen soll.
Weiters wird vorgeschlagen, einen weiteren Richtwert für die Verabreichung von Medikamenten mittels PEG-Sonde festzulegen. Dieser Richtwert soll die Vorbereitung des Medikamentes (zB Zermörsern, um es in flüssige Form bringen zu können) ebenso umfassen wie die damit verbundene Spülung der Sonde.

Als Richtwerte werden vorgeschlagen:
Ernährung mittels PEG-Sonde    85 Minuten pro Tag
Medikamentenverabreichung     10 Minuten pro Verabreichung

In der Festlegung derartiger Richtwerte ist ein dringendes Bedürfnis der Praxis zu sehen. Dadurch soll einerseits klargestellt werden, dass die Durchführung der Ernährung mittels PEG-Sonde durch eine Drittperson - soweit dafür nicht tatsächlich eine medizinische Hauskrankenpflege in Anspruch genommen wird - eine Betreuungsleistung im Sinne des Bundespflegegeldgesetzes darstellt, andererseits soll der dafür zu veranschlagende Wert vereinheitlicht werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH ist - in Abgrenzung zur für die Einstufung nicht relevanten medizinischen Behandlung - ein Pflegebedarf jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein - ansonsten - nicht behinderter Mensch gewöhnlich diese Verrichtung selbst vornehmen kann (10 ObS 38/97d = SSV-NF 11/34, 10 ObS 102/98t = SSV-NF 12/81; 10 ObS 295/98z = SSV-NF 12/132, 10 ObS 158/99d = SSV-NF 13/76, 10 ObS 206/00t = SSV-NF 14/95 u.a.). Es steht außer Zweifel, dass ansonsten gesunde Personen, denen wegen Schluckstörung (insbesondere aus dem onkologischen Patientenkreis) eine Magensonde implantiert wurde, ohne weiteres in der Lage sind, nach kurzer Einschulung die Sondenernährung und alle damit notwendigerweise verbundenen Verrichtungen (einschließlich der Vorbereitung, Reinigung, Medikamenteneinnahme, Mundpflege und Wundversorgung) selbst durchzuführen. Ausgehend von dem oben dargestellten Abgrenzungskriterium stellt daher bei Patienten, insbesondere aus dem geriatrischen Kreis, die zu dieser selbständigen Vornahme der Ernährung mittel PEG-Sonde nicht mehr in der Lage sind, die PEG-Sonden-Ernährung einen Pflegebedarf im Sinne des Pflegegeldgesetzes dar (OLG Linz 12 RS 38/08g). Die Entscheidung des OGH zu 10 ObS 162/04b steht dem nicht entgegen, weil der OGH in dieser Entscheidung zwar von dem selben Abgrenzungskriterium ausgegangen ist, jedoch ohne entsprechendes Sachverhaltssubstrat von der irrigen Annahme ausgegangen ist, dass für die Ernährung mittels PEG-Sonde immer die Unterstützung Dritter notwendig sei.

Dieser Einschätzung steht auch nicht entgegen, dass in §?151 Abs 3 ASVG die „Sondenernährung“ beispielshaft als Leistung der medizinischen Hauskrankenpflege und somit als Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenversicherung genannt wird. Denn in § 151 Abs 2 ASVG wird zudem festgelegt, dass die medizinische Hauskrankenpflege durch Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege erbracht wird (§ 12 GuKG). Der exakte Umfang der Leistungen der medizinischen Hauskrankenpflege im Sinne des §?151 ASVG ist daher grundsätzlich mit Hilfe des Gesundheits- und Krankenpflegegeldgesetzes zu bestimmen (LG Wels, 18 Cgs 214/07t, VfGH V 91/03 = ZAS 2004, 230; diesem Auslegungsgrundsatz ausdrücklich zustimmend Pfeil, aktuelle Rechtsfragen der medizinischen Hauskrankenpflege Teil I, SozSI 2005, 89). Das Gesundheits- und Krankenpflegegeldgesetz differenziert jedoch zwischen einzelnen Tätigkeiten der Sondenernährung. Während in § 15 Abs 5 GuKG das „Legen von Magensonden“ (Z. 7) dem mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich des gehobenen Dienstes zugeordnet wird, umfasst nach §?84 Abs 4 GuKG der Tätigkeitsbereich der Pflegehilfe bei der Mitarbeit bei therapeutischen Verfahren ausdrücklich die „Durchführung von Sondenernährung bei liegenden Mangensonden“ (Z. 3). In der Stammfassung BGBl. 1997/108 war zudem auch noch ausdrücklich (der Begriff „PEG-Sonde“) angeführt. Die in der Stammfassung noch enthaltene Einschränkung auf den „extramuralen“ Bereich wurde durch die Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz BGBl. 95/1998 beseitigt. Die Ernährung mittels PEG-Sonde bei liegender Magensonde zählt sohin zum Tätigkeitsbereich des Pflegehilfspersonales, sodass dieser Bereich nicht als Teil der medizinischen Hauskrankenpflege im Sinne des §?151 ASVG anzusehen ist (vgl. dazu ausführlich LG Wels 18 Cgs 214/07t).

Eine entsprechende Klarstellung entspricht daher einem dringenden Bedürfnis in der Einstufungspraxis, da diesbezüglich derzeit eine große Verunsicherung besteht.

Die vorgeschlagenen Richtwerte entsprechen dem Ergebnis eines sehr detaillierten Sachverständigengutachtens im Verfahren LG Wels 18 Cgs 214/07t, zudem wurden sie in einer Beweisergänzung durch das OLG Linz im Verfahren 12 Rs 38/08g nochmals einer Überprüfung unterzogen.

4.4.3. Es wird angeregt, zur Klarstellung § 6 EinstV entsprechend der Auslegung durch die neuere Rechtsprechung des OGH (10 ObS 165/06x; 10 ObS 106/07x und 10 ObS 10 ObS 13/08x) zu novellieren.

 
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