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Seminar Stress- und Burnoutprävention PDF Drucken E-Mail

Mitte April 2010 war es soweit: die Sektion Steiermark  hat nach ihren langjährigen Seminarinitiativen zur Thematisierung der Work-Life-Balance der RichterInnen (Seminarreihe „Körper-Geist-Seele“ – Der Ganzheitliche Richter“) mit dankenswerter Unterstützung des BMJ den ersten mehrtägigen Seminarworkshop zur Stress- und Burnoutprävention im  Bildungshaus St. Georgen in Kärnten durchgeführt. Am Programm stand eine Mischung aus diversen theoretischen Inputs u.v.a., daran anknüpfend zahlreiche praktische Tipps und Übungen, dies alles getragen von dem Grundgedanken der rechtzeitigen VERMEIDUNG Burnout-ähnlicher Zustände.

A) „HUMOR - ALS STRESSBEWÄLTIGUNGS- bzw. PRÄVENTIONS-STRATEGIE“

Zunächst gab uns der Humor-Therapeut u. Coach Dietmar SCHREY  eine interessante theoretische Einführung in das Thema „HUMOR“ welche durch Aushändigung eines netten kleinen Bücherls zum Thema abgerundet wurde. Dabei überraschte sogleich die Definition von HUMOR (oft als bloßes Witze machen bzw. „blödeln“ verkannt) vielmehr als „emotionale Eigenschaft, eine positive, wohlwollende und lächelnde EINSTELLUNG gegenüber sich selbst, dem Leben und anderen Menschen“. Schrey betonte in diesem Zusammenhang die wesentliche Funktion einer empathischen Grundhaltung dem anderen Menschen u.v.a auch sich selbst gegenüber. Humor sei an sich auch eine durchaus „egoistische Angelegenheit“, da es ja um die Förderung der eigenen Gesundheit ginge. Er referierte die neuesten Erkenntnisse aus der GELOTOLOGIE (naturwissenschaftl.: Lachforschung): hier in diesem Bericht sei nur hervorgehoben, dass das Lachen an sich nicht nur eine Verbesserung der psychischen Stimmung, sondern wesentlich auch eine Steigerung der körperlichen Abwehrkraft mit sich bringt. So fanden weltweit (bis dato ca. 200) Wissenschafter in diversen Versuchsreihen heraus, dass im LACHEN  der Körper unterschiedlichste salutogene bzw. hormonelle Reaktionen zeigt und außerdem die psychische Widerstandsfähigkeit (bekannt als Resilienz) gesteigert werde. Neben der Butdrucksenkung, der Muskulaturentspannung, Verbesserung des Sauerstoffaustausches, der Produktion von Abwehrzellen, ist es vor allem auch die „spürbare Erleicherung“, die sich beim Lachen einstellt. Erstaunlich ist folgendes Ergebnis: 1 Minute Lachen entspricht 45! Minuten Entspannungstraining!

Neben verschiedenen Geschicklichkeits- und Koordinationsübung zwischen den theoretischen Inputs ging es über einen bedeutenden Zeitraum im Workshop mit Dietmar Schrey auch um die Frage, ob HUMOR in unserem spezifischen, gerichtlichen Alltag überhaupt Platz haben kann, was von Schrey eindeutig befürwortet und von uns TeilnehmerInnen im Rahmen der Erörterung von konkreten Beispielen auch so erfahren wurde. So gäbe es unzählige Momente im Umgang mit (mehr oder weniger gestressten bzw. belasteten) MitarbeiterInnen u.v.a. auch mit sich selbst bzw. in Verhandlungs- bzw. Gesprächssituationen, wo empathsicher Humor die nötige Auflockerung bringen kann u. letztlich die Kreativität, Kommunikationsfähigkeit, den Streßabbau und auch die geistige Beweglichkeit (Neurogenese bzw. Neuroplastizität) fördere.

So legte uns Schrey schließlich  (in einer sehr harmonischen Verbindung von Spaß und Kompetenz) die „4-Säulen des Humors“ dar (1. Bewegung, 2. Anregung durch Herausforderung u. Spiel, 3. Freies u. Freiwilliges Denken u. 4. Mehr emotionalen, als geistig/intelektuellen Humor). Die Körperübungen (welche u.a. aus der Ausbildung der Clown-Doctors stammen) vermittelten Spaß an der Bewegung u. förderten in erheblichem Ausmaß das stimmige Gruppengefühl (quer „durch die Instanzen“). Abschließen gab es noch einen historischen Blick auf die Entwicklung und die Aufgabe des sog. CLOWNs, sowie auf die Möglichkeit und Notwendigkeit selbstbestimmt durch das Leben u. wohl auch durch die Arbeitswelt zu schreiten. Alles in allem sehr gelungene Tage dieses Pilotprojektes, die durch einen Test bzgl. der eigenen sog. „Antreiber“ (Stressoren) bereichert wurden und Mut mach(t)en, mehr Humor in den Gerichtsalltag – an passender Stelle – zu integrieren.


B) Engagement als Ziel: Burnout erkennen und vorbeugen– Der Mensch vor dem Hamsterrad

Prof. Jimenez beschäftigt sich im Fachgebiet „Arbeitspsychologie“ nicht nur mit dem Menschen an sich, sondern auch mit dem Zusammenhang der Auswirkungen organisatorischer Rahmenbedingungen auf den Arbeitnehmer; er ist (auch) international bekannt für seine langjährige(n) Forschungsarbeit(en) auf dem Gebiet der „Burnout-Prävention“. Sein mehrstündiger Vortrag wurde in div. Powerpoint-Folien zusammengefasst, welche er den TeilnehmerInnen in gedruckter Form dankenswerterweise zukommen ließ.

Gleich eingangs des Referates betonte er die Wichtigkeit der Perspektive bei der Betrachtung einer Belastungssituation, in der sich der Arbeitnehmer gerade befindet: nicht jede negative Stressphase darf sogleich auch unter den Begriff BURNOUT subsumiert werden, vielmehr handelt es sich bei diesem „ausgebrannt fühlen“ um einen körperlichen Zustand mit zahlreichen unterschiedlichen Symptomen (dh. SYNDROM). Er beschrieb die unterschiedlichen Phasenmodelle aus der Wissenschaft (v.a. das 12er Stufen-Rad der Burnoutentwicklung v. Freudenberger) und stellte sodann auch das von seinem Team entwickelte (vereinfachende) 4-Phasen-Modell ebenso dar wie den Fragebogen zur Überprüfung der eigenen Burnoutgefährdung (vgl. in www.argeburnout.com), den die TeilnehmerInnen im Vorfeld ausfüllten. Daran anknüpfend versuchten wir auch Kriterien zu entwickeln, ab welcher Phase ein Burnoutsyndrom erkennbar wird, wobei einhellig (leider) festzustellen war, dass dies erst sehr spät „nach außen sichtbar“ wird, da der/die Betroffene alles daran setzt, „weiter zu funktionieren“ (vgl. asiatisches Gesellschaftsmodell, wo alles daran gesetzt wird „ja nicht das Gesicht zu verlieren“). Als Warnzeichen wurden u.a. Nervosität, aggressives bzw. zynisches Verhalten/Sprechen, Leistungsabfall bis hin zur Erschöpfung, Schlafstörungen, sozialer Rückzug, depressive Verstimmungen, Lustlosigkeit u.v.a. die Beeinträchtigung der Wahrnehmung in Bezug auf die eigene Situation („es nicht wahrhaben wollen“) besprochen. Dabei gilt es zu betonen, das Burnout (nicht so wie Stress plötzlich und intensiv) sondern „schleichend“ entsteht. Prof. Jimenez betonte, dass kein Lebewesen auf Dauer nur Leistung erbringen kann und Entspannungsphasen überlebensnotwendig seien, denn aus chronischem, andauernden Stress kann man selbst noch irgendwie herauskommen, aber aus dem „echten Burnout“ seiner Ansicht nach nicht mehr. Externe u. professionelle Hilfe ist dringend notwendig.

Als einfache u. täglich anzuwendende Präventivmaßnahme stellte uns Prof. Jimenez den „positiven Erfolgskreislauf“ dar, welcher dadurch gekennzeichnet ist, dass nach jeder Phase der Anstrengung jene der Erholung kommen sollte: Die Pause macht den Meister! Wenn sich jedoch der Mensch (u. natürlich auch die RichterInnen) keine – ausreichenden - Erholungspausen gönnen, befindet man sich irgendwann im berühmten HAMSTERRAD. Die RichterInnen seien nach Jimenez dadurch besonders gefährdet, als sie sich zuwenig Erholung gönnen und noch dazu das (für eine gute Psychohygiene bzw. Befindlichkeit) unumgängliche LOB selten bzw. nie erhalten, dadurch geraten sie in einen psychologisch „kritischen Kreislauf“, da zwangsläufig auch der Einsatz bzw. dann der Erfolg bei der Bewältigung der alltäglichen Arbeitsaufgaben sinken wird.

Was schlägt Prof. Jimenez zur Prävention vor:

1. Bewusstsein, dass Richter (gesetzlich) eine große Möglichkeit zur „Selbstbestimmung“ hätten (aber das vielleicht zu wenig nutzen im Selbst- u. Zeitmanagement)

2. Fokus auf Ressourcengewinnung (Was stärkt, was entspannt mich wirklich? – Sport; Shoppen; Fernsehen, Lesen, Yoga, Qi-Gong, Reisen …, jeder sei unterschiedlich, der eine benötigt Aktivität zur Erholung, der andere eher das Gegenteil; das herauszufinden bzw. umzusetzen liege in unserer Eigenverantwortung)

3. Gesund ESSEN und ausreichend SCHLAFEN

4. HUMOR im Alltag

5. Professionelle Distanzierung u. Abgrenzung trainieren (ohne die Empathie in der Fallbearbeitung zu vernachlässigen)

6. Pausen, Pausen, Pausen ... dh. keine „dysfunktionale Reaktion“ auf eine Belastung setzen (z.B. noch schneller arbeiten wollen, bei Mehranfall) sondern mit den eigenen ENERGIEN haushalten (hilfreich dabei das „Energie-Rad“ als Überprüfung einsetzen, dh. aufzeichnen der Energiequellen und –Verwendung)

7. Änderung in der Gerichtsorganisation (gerechte Geschäftsverteilung; mehr gezielte Anerkennung durch die Vorgesetzten), Zitat Jimenez: Eine Organisation ohne WERTSCHÄTZUNG der Mitglieder funktioniert auf Dauer nicht.

8. In Zeiten der Belastung nicht schneller, sondern langsamer, gleichmäßiger agieren (Entschleunigung)

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass beide Vortragende eine Fülle von Tipps u. Anregungen parat hatten, uns (wohltuend) an die EIGEN-Verantwortung und auch die zahlreichen Möglichkeiten der Selbststeuerung erinnerten (dh. Phasen der Anstrengung rechtzeitig mit Phasen der Erholung zu koppeln), dabei jedoch die „Fürsorgepflicht des Dienstgebers“ nicht außer Acht ließen. Es war eine große Freude u. Bereicherung für uns an diesem Workshop teilnehmen zu können. Weitere Seminarangebote wären wünschenswert.

Graz, am 21.06.2010
Mag. Andreas Biegl

 
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