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Editorial 11/2010 PDF Drucken E-Mail
Der Reigen der Tanzpartner
von Charlotte Schillhammer

Einmal geht das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft zu langsam voran, dann wiederum zu schnell. Ein anderes Mal ist es das Urteil eines Strafgerichts oder die Dauer einer von diesem Gericht verhängten Untersuchungshaft. Angriffe werden oft undifferenziert und ohne Treffsicherheit geführt. Meist wird dabei auch gleich die gesamte Justiz pauschal in Misskredit gebracht. So wurden etwa jüngst unterschiedliche Entscheidungen in zahlreichen, prominenten Fällen von Irrtumsanfechtungen einem ganzen Zivilgericht, letztlich aber der gesamtem Justiz als Inkompetenz ausgelegt. Skandalöse Zustände, die da herrschen! Aufregung über Aufregung. Es scheint kein Ende zu nehmen. Angesichts dessen könnte man meinen, dass die österreichische Justiz diese Bezeichnung nicht verdient und dass sie, vor Skandalen nur so geschüttelt, unmittelbar vor der völligen Funktionsuntüchtigkeit steht.

Dies beruht im Wesentlichen auf einem ständigen Reigen zweier Tanzpartner, die in perfekt aufeinander abgestimmten Schritten unterwegs zu sein scheinen. Da ist auf der einen Seite die Parteipolitik, die bisweilen allein der billigen, tagesaktuellen Polemik bzw. des schnellen Erfolgs wegen die Justiz instrumentalisiert, einen behaupteten oder tatsächlichen Fehler prominent herausgreift und diesen, so lange es geht, für ihre Zwecke ausschlachtet. Da sind auf der anderen Seite die Medien, die sich bereitwillig auf jeden vermeintlichen oder tatsächlichen Fahler stürzen und gleich Titel zur Hand haben wie: Skandal über Skandal, oder: Die Justiz ist ein Skandal! Das wiederum ruft die Parteipolitik auf den Plan, die neuerlich einhakt und die Möglichkeit sieht, schnell punkten zu können. Und so dreht sich der Reigen munter immer weiter. Anzuerkennen ist, dass es da und dort durchaus eine fundierte Auseinandersetzung mit einem vermeintlichen oder tatsächlichen Problem in der Justiz gibt. Im allgemeinen Getöse ist das aber meist kaum wahrnehmbar.

Es geht hier nicht um die Behauptung, dass in der Justiz keine Fehler passieren. Unangemessen erscheint allerdings bisweilen, was von den Tanzpartnern daraus gemacht wird. Kritik an der so genannten dritten Staatsgewalt muss aus rechtsstaatlicher Sicht selbstverständlich möglich sein. Insofern ist sie auch notwendig und erwünscht. Kritik in diesem Sinn sollte aber in jedem Fall sachlich vorgetragen und auch ebenso verbreitet werden. Eine solche sachliche Kritik setzt allerdings zwingend ein Mindestmaß an Beschäftigung mit der „Sach- und Rechtslage“ voraus. Eine entsprechende Informationspolitik der Justiz wäre dabei zweifellos hilfreich. Das aber ist nicht nur eine Bringschuld der Justiz, sondern auch eine Holschuld der Tanzpartner. So mancher, vermeintliche Fehler würde sich dann entzaubern und nicht jeder Fehler, der passiert, würde sich dann gleich als Skandal oder gar ein Skandal der gesamten Justiz erweisen. Abschließend bedürfte es noch des guten Willens der Tanzpartner, ihre diesbezüglichen Schritte nach außen, in die Öffentlichkeit, auch entsprechend zu lenken. Das passiert gegenwärtig leider in einem viel zu geringen Ausmaß.

Durch das undifferenzierte Dauerfeuer droht der Justiz ein Verlust an Akzeptanz. Das stellt eine nicht unerhebliche Gefahr dar. Noch passiert es nur in ganz seltenen Fällen, dass Entscheidungen der Justiz völlig unverblümt einfach nicht akzeptiert werden. Solche Fälle sind aber schon erste Korrosionserscheinungen. Ein Fortschreiten dieses Prozesses sollte unbedingt vermieden werden, weil damit im staatlichen Gefüge letztlich niemandem gedient ist. Der oben beschriebene Reigen der Tanzpartner ist wohl nicht allein Ursache für einen schleichenden Akzeptanzverlust. Er leistet dazu aber einen sehr wesentlichen Beitrag.

Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter appelliert daher an alle Beteiligten, ihre Auseinandersetzung mit der Justiz fundiert und treffsicher zu halten.  

 
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