Grundsätze des Gerichtsverfahrens

Urteile sind "Im Namen der Republik" zu verkünden, bestimmt die Bundesverfassung. Aufgabe des Richters in einem Straf- oder Zivilverfahren ist es, Recht zu sprechen. Bevor der Richter in einem Urteil entscheiden kann, was rechtens ist, muss er den Sachverhalt erheben, das heißt, er muss feststellen, was geschehen ist. In der Rechtsordnung ist genau geregelt, wie bei diesen Erhebungen vorzugehen ist. Diese Vorgangsweise nennt man auch gerichtliches Verfahren.

In jedem Straf- oder Zivilverfahren gelten einige Grundsätze, die hier näher vorgestellt werden. Teilweise sind diese Grundsätze in der Verfassung geregelt, teilweise in den Prozessordnungen.

Der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung

Die Geschäfte müssen unter den Richtern eines Gerichtes im vorhinein verteilt werden. Das bedeutet, dass für einen bestimmten Zeitraum im voraus festgelegt werden muss, welche Agenden welcher Richter eines Gerichtes zu erledigen hat. Das geschieht in Form einer Geschäftsverteilung, in der (meist nach Buchstaben des Namens der Prozessparteien geordnet) bestimmte Akten bestimmten Richtern zugeteilt werden. Die Parteien können sich daher den Richter, der für eine Sache zuständig ist, nicht aussuchen. Damit soll verhindert werden, dass durch die Auswahl eines bestimmten Richters für eine bestimmte Sache auf die Entscheidung Einfluss genommen wird. Dieser Grundsatz hängt daher eng mit dem Recht auf den gesetzlichen Richter und der Unabhängigkeit der Richter zusammen.

Der Grundsatz der Mündlichkeit

Dieser Grundsatz besagt, dass das erkennende Gericht nicht allein auf Grund der Aktenlage ein Urteil fällen darf. Vielmehr muss zuvor eine mündliche Verhandlung stattfinden, in der alle Umstände erhoben werden, die zur Feststellung des Sachverhalts dienen. In dieser Verhandlung hat der Richter die Parteien anzuhören, die Zeugen zu vernehmen, allenfalls Urkunden zu verlesen oder Sachverständige zu hören. Auch die Parteien oder ihre Rechtsanwälte dürfen in diesen Verhandlungen Fragen an die vernommenen Personen richten. Der Zweck dieser Regelung ist, dass der Richter sich einen persönlichen Eindruck von den Parteien seines Prozesses machen kann und dass sich die Parteien auch jeweils zu den einzelnen Beweisergebnissen äußern können. Der Grundsatz der Mündlichkeit hat daher auch den Zweck, ein faires Verfahren zu gewährleisten. Ausnahmen vom Mündlichkeitsprinzip können durch das Gesetz bestimmt werden.

Der Grundsatz der Öffentlichkeit

In früherer Zeit kannte man die sogenannte Kabinettsjustiz, in der das geheime Verfahren möglich war. Dass den Parteien damit weitgehend die Möglichkeit entzogen war, die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu überprüfen versteht sich von selbst. Ein öffentlich zu führendes Verfahren sichert die Parteien vor der Willkür des Entscheidungsträgers ab. Nach der Bundesverfassung sind Verhandlungen in Zivil- und Strafsachen öffentlich, womit gemeint ist, dass jedermann einer Gerichtsverhandlung beiwohnen kann (Volksöffentlichkeit). Das Gesetz kann hiervon Ausnahmen bestimmen (z.B. wenn in einem Verfahren Tatsachen des Familienlebens einer Prozesspartei erörtert werden oder zum Schutz von Kindern).

Der Grundsatz des Anklageprozesses (Strafverfahren)

Darunter ist zu verstehen, dass die Funktion des Richters von der des Anklägers getrennt sein muss. Die Anklage im Strafverfahren vertritt (zumeist) der Staatsanwalt. Mit diesem Grundsatz wird sichergestellt, dass der Richterin der Strafsache beide Seiten, also Anklage und Verteidigung hört, und auf diese Weise objektiv entscheiden kann. In früheren Prozessordnungen war die Inquisitionsmaxime gängig, was bedeutete, dass die Rolle des Anklägers und des Richters in einer Person vereint waren.

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs

Einer der wichtigsten Leitlinien eines gerichtlichen Verfahrens ist es, den Prozessparteien die Gelegenheit zu bieten, ihren Standpunkt im Prozess darzulegen, also zu gewährleisten, dass sie angehört werden können. Die Verfahrensordnungen stellen daher strenge Regeln auf, damit dieses Recht auf Anhörung gesichert ist. Dabei kann aber keine Prozesspartei (im Gegensatz zu einem Zeugen) zu einer Äußerung gezwungen werden.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung

Dieser Grundsatz besagt, dass es keine bestimmten Regeln gibt, wie der Richter einen Beweis zu würdigen hat. Das heißt, es ist beispielsweise nicht festgelegt, dass der Richter einer Partei Glauben schenken muss, sobald ein Zeuge die Aussage dieser Partei bestätigt. Vielmehr hat der Richter alle Beweisergebnisse einer sorgfältigen Würdigung und Abwägung (siehe die Waage der Justitia) zu unterziehen. Das bedeutet, er hat sehr deutlich die für und wider einen Standpunkt sprechenden Umstände zu erläutern und im Urteil so zu begründen, warum er bestimmte Tatsachen als bewiesen ansieht oder weshalb nicht. Damit soll sichergestellt werden, dass es den Parteien und der 2. Instanz auch möglich ist, diese Überlegungen nachzuvollziehen.

Letzte Aktualisierung ( Freitag, 28 Juli 2006 )