Editorial 03/2012
Von Parteien, ihrer Finanzierung und der Grenze zwischen moralisch Anstößigem und strafrechtlich Relevantem
von Martin Ulrich

Verfolgt man aufmerksam die aktuelle mediale und politische Diskussion zu diversen Korruptionsvorwürfen in Österreich, so stolpert man wiederholt auch über die Begriffe „Parteienfinanzierung“ und „Parteispende“. Die Liste der behaupteten Missstände an manchen Schnittstellen zwischen Politik und Wirtschaft ist lang, sie reicht von „gekauften Gesetzen“ bis zur fortlaufenden Finanzierung relevanter Entscheidungsträger zwecks erwünschter „Klimapflege“. Gegenseitige Schuldzuweisungen stehen - gerade im parteipolitischen Diskurs - auf der Tagesordnung. Die Politik überschlägt sich mit Ankündigungen, behauptetes Fehlverhalten lückenlos aufzuklären und wirksam zu bekämpfen. Besser als aktuell scheint auch den Medien ihre public watchdog-Funktion nicht auf den Leib geschneidert zu sein. Eine behauptete Enthüllung jagt den nächsten vermuteten Skandal, angeblich hunderttausende unternehmensinterne E-Mails werden Medien zugespielt und durch diese teilweise veröffentlicht, ja sogar Aktenbestandteile aus nicht öffentlichen aber zugleich prominenten Ermittlungsverfahren werden durch Nachrichtenmagazine im Internet als „Art vorweg genommene Anklageschrift“ öffentlich zum Download angeboten. Dass derartige Vorgehensweisen teilweise nicht nur mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren und der (zuletzt oft ironisch zitierten, aber trotzdem immer noch gültigen) Unschuldsvermutung in Konflikt geraten, sondern überdies weitere Erhebungen der Strafverfolgungsbehörden durch mediale Vermarktung behaupteter Detailinformationen über nicht öffentliche Ermittlungsverfahren nachhaltig negativ beeinflusst werden können, scheint von nur geringem Interesse zu sein.

Einigkeit besteht dabei gegenüber der interessierten Öffentlichkeit jedoch in einem Punkt: Dem Ruf nach der Justiz verbunden mit der Forderung nach rascher und lückenloser Aufklärung. Dabei scheint manchmal verkannt zu werden, dass ein Straftatbestand „verbotene Parteienfinanzierung“ dem österreichischen Strafrecht (zumindest derzeit) fremd ist. Das bedeutet aber nicht gleichzeitig automatisch, dass Handlungsweisen, die teilweise mit dem Begriff „Parteienfinanzierung“ in Verbindung gebracht werden, aus strafrechtlicher Sicht völlig unproblematisch wären. Worin liegt die Motivation eines Unternehmens, eine „Partei“ beziehungsweise parteiverbundene Funktionäre oder Amtsträger finanziell zu unterstützen? Diese Frage ist um so berechtigter, wenn solche „Parteispenden“ regelmäßig höchst diskret (somit ohne jeglichen nach außen tretenden Werbeeffekt) ablaufen, dem Vernehmen nach teilweise zur Rechtfertigung der Zahlungen Scheinverträge über tatsächlich niemals erbrachte Leistungen konstruiert werden. Die Frage nach dem Grund für diesen Aufwand ist somit durchaus berechtigt.

Wenn man einmal eine tiefe weltanschauliche Überzeugung betreffend die Werte der jeweiligen Partei bei Seite lässt, werden kritische Stimmen in diesen „diskreten Geldzuwendungen“ den Versuch erblicken, sich einflussreiche Entscheidungsträger in Politik (und damit oft auch Verwaltung) gewogen zu stimmen; manche meinen sogar, diese zu „kaufen“. Dies betrifft den gesamten Aspekt des „Anfütterns“, dessen Strafbarkeit der Gesetzgeber zuletzt faktisch wieder beseitigt hat. Vorteilszuwendungen an Amtsträger ohne Bezug zu einem konkreten Amtsgeschäft (also bloß zur „Klimapflege“) bleiben somit aktuell straflos.

Strafrechtlich problematisch können solche Zuwendungen jedoch dann werden, wenn sie einen (nicht immer leicht nachweisbaren) Konnex zu konkreten Amtsgeschäften haben; dies betrifft den Bereich der Bestechungs-/Bestechlichkeitsdelikte. Andererseits können solche Verhaltensweisen auch unter dem Blickwinkel allfälliger Untreue zu prüfen sein. Werden Zahlungen ohne ersichtliche Gegenleistung und ohne Zustimmung der Unternehmenseigner entgegen Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns an Dritte geleistet, macht es strafrechtlich keinen Unterschied, ob es sich bei dem Dritten um eine Partei oder die Ehefrau des Geschäftsführers handelt. Oder gibt es bei „Parteispenden“ doch eine Gegenleistung?

Die Abgrenzung von moralisch Verwerflichem und strafrechtlich Relevantem ist stets einzelfallbezogen vorzunehmen und in diesen Bereichen nicht immer leicht zu ziehen. Das schafft aber Rechtsunsicherheit und gesellschaftlich empfundene Strafbarkeitslücken, zu deren Beseitigung jeweils der Gesetzgeber und nicht Gerichte und Staatsanwaltschaften berufen sind.