Editorial 04/2012 |
Justiz und Politik. Politjustiz. Justizpolitikvon Manfred Herrnhofer Am 22. und 23.11.2012 veranstaltet die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter in Graz den Richtertag (siehe Veranstaltungshinweis im Blattinneren). Nach den Satzungen handelt es sich dabei um eine im Fünfjahresrhythmus abzuhaltende Generalversammlung, zu der alle Mitglieder zu laden sind. Kernpunkt ist ein Bericht des Vorstands zur Frage der aktuellen Situation der Gerichtsbarkeit, insbesondere der richterlichen Unabhängigkeit und der angewandten Mittel zur Erreichung des Vereinszwecks. Dazu ist in den Satzungen festgehalten: Vereinszweck ist die Hebung und Förderung der Rechtspflege und der Rechtsstaatlichkeit Österreichs, Wahrung und Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit, Förderung gerichtsorganisatorischer Reformen zur Gewährleistung einer den modernen Gegebenheiten Rechnung tragenden Rechtspflege sowie Vertretung der Mitgliederinteressen. Das Thema des heurigen Richtertages (es findet sich in der Überschrift) wurde bereits vor längerer Zeit festgelegt und ist angesichts der jüngsten tagespolitischen Ereignisse brennender denn je. Beginnen wir mit Letzterem und blicken zurück ins Jahr 2000. In der Justizpolitik herrschte lange Zeit Konsens darüber, dass vor Erlassung neuer Gesetze angesichts der weitreichenden gesellschaftspolitischen Auswirkungen eine breit angelegte Diskussion im Rahmen eines Begutachtungsverfahrens unter Einbeziehung von Experten und relevanten gesellschaftlichen Gruppierungen zu führen und nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente eine möglichst breite parlamentarische Zustimmung anzustreben ist. Die Auswirkungen der Abkehr von diesen Grundsätzen durch Verstecken von gewichtigen Reformen in Budgetbegleitgesetzen oder Stabilitätspakten, Einräumung von „Begutachtungsfristen“ binnen weniger Tage tragen eben nicht zur Vertrauensbildung in die Justizpolitik bei; hier gilt der Grundsatz „speed kills“ oder besser frei nach Qualtinger: „I was zwar net wohin, aber Hauptsach schnoi“. Zum Vorwurf der Politjustiz: Unbestritten erfüllen sowohl die Politik im Rahmen der Gesetzgebung und Vollziehung, als auch die Gerichtsbarkeit wichtige Aufgaben in einem demokratischen Rechtsstaat. Diese drei tragenden Säulen sind Garanten für eine offene, pluralistische Gesellschaft, in der nicht nur das Recht vom Volk ausgeht, sondern das Recht vom Volk akzeptiert und gelebt wird. Mit gutem Grund wurde zum Ausbalancieren der Machtverhältnisse der Gewaltentrennungsgrundsatz verfassungsrechtlich verankert. Realpolitisch ist dieser aber aufgrund der sich auf alle gesellschaftlichen Ebenen ausbreitenden Einflussnahme der politischen Parteien längst aufgehoben und werden insbesondere die Gesetzgebung und Vollziehung von diesen dominiert. Wenn aber die Rechtsprechung auf gewisse Vertreter der Politik trifft, die im Verdacht stehen, strafrechtlich relevante Handlungen begangen zu haben und bei Ausübung ihrer gesetzlichen Verpflichtung den Sachverhalt aufzuklären, sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, aus rein politischen Motiven zu handeln, ist rechtsstaatlich Feuer am Dach. Jetzt richtet sich dieser Vorwurf zwar primär an die noch immer in letzter Konsequenz von einem (partei)politisch bestellten Organ abhängige Staatsanwaltschaft, was aber in Anbetracht des auch für diese Behörde geltende Objektivitätsgebot zu Recht von der Frau BMJ Dr. Karl auf das Schärfste zurückgewiesen wurde. Diese reflexartigen Äußerungen gewisser Politiker erinnern an die Vorgänge in einem südlichen Nachbarstaat, wo ein Regierungschef bei Vornahme von Untersuchungen und Gerichtsverfahren ständig auf eine vermeintliche Politjustiz schimpfte und droht insoweit demokratiepolitisch eine „Berlusconisierung“ Österreichs. Sowohl die Justiz, als auch die Politik sind für die Akzeptanz ihrer Arbeit in hohem Maße auf das Vertrauen der Bevölkerung angewiesen. Wenn nunmehr von einer politischen Partei überlegt wird, einen Verhaltenskodex für zukünftiges anständiges Verhalten von Politikern zu schaffen, kann die Gerichtsbarkeit auf ihre „Salzburger Beschlüsse“ und die „Welser Erklärung“ (beides siehe unter www.richtervereinigung.at) oder einfach auf die Worte unseres unvergessenen Dr. Josef Klingler verweisen: Ein Richter muss zuallererst ein anständiger Mensch sein! |