Editorial 06/2013

Personalsenate (auch) für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte

von Martin Ulrich

Seit 1. Jänner 2008 sind die österreichischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte an der Seite der Richterinnen und Richter als Organe der Gerichtsbarkeit in der Bundes-Verfassung verankert. Dieser Artikel 90a B-VG war jedoch nicht die einzige Folge der zum gleichen Zeitpunkt in Kraft getretenen Reform der Strafprozessordnung, welche die Leitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, insbesondere viele bisher von den Untersuchungsrichterinnen und -richtern wahrgenommenen Aufgaben, den Staatsanwaltschaften übertrug. Zeitgleich wurde auch – unter großem Zeitdruck – das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG) geschaffen, welches bereits damals in großen Bereichen ein gemeinsames Dienstrecht der – schon bisher im Rahmen der gemeinsamen Ausbildung, der abgelegten Richteramtsprüfung und ihres Selbstverständnisses eng miteinander verbundenen – Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte umsetzte. Während in der Folge weitere „Arrondierungen“, so etwa im Bereich des Disziplinarrechtes, der sofortigen Definitivstellung mit der staatsanwaltschaftlichen Ersternennung sowie der flexibleren Herabsetzung der Auslastung für Richterinnen und Richter, durchgeführt werden konnten, blieb die ernsthafte Erörterung der Frage einer allfälligen Fortentwicklung der staatsanwaltschaftlichen Personalkommissionen in Richtung richterliche Personalsenate bisher stets einem späteren Zeitpunkt vorbehalten.

Doch dafür scheint die Zeit jetzt reif zu sein!

Bemerkenswert ist dabei, dass dieses Thema zwar durch die Reform der Strafprozessordnung in den letzten Jahren langsam wieder in das Blickfeld standespolitischer Diskussion gerückt ist, als solches aber in der justizpolitischen Erörterung schon vor vielen Jahren geführt wurde und somit zweifelsohne als „Dauerbrenner“ bezeichnet werden kann.

So wurde bereits im Jahr 1983 in der Begründung eines Initiativantrages der Abgeordneten Dr. Michael Graff und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über das Dienst- und Organisationsrecht der Staatsanwälte (Staatsanwaltschaftsgesetz) nicht nur festgehalten, „daß Staatsanwälte ähnlich wie Richter Organe der Rechtspflege sind und sich hiedurch in ihren spezifischen Aufgabenstellungen von sonstigen Beamten der allgemeinen Verwaltung deutlich unterscheiden“, sondern auch die Bedeutung „der Schaffung unabhängiger staatsanwaltschaftlicher Personalkommissionen“ hervorgehoben und darauf verwiesen, dass „die nicht kraft Amtes bestellten Mitglieder der Personalkommissionen … ihre Legitimation aus einem auf demokratische Willensbildung beruhenden Wahlakt nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz“ ableiten. In der 131. Sitzung des Nationalrates vom 5. März 1986 betreffend das Staatsanwaltschaftsgesetz führte Dr. Graff aus, dass „unabhängige Personalkommissionen nach dem Muster der unabhängigen Personalsenate der Richter verlangt“ wurden, man aber „damit … nicht durchgekommen“ ist. Die damalige Forderung der Standesvertretung nach einer Mehrheit der Gewählten wurde nicht erfüllt.

Neben der persönlichen Integrität der befassten Personalkommissions- bzw -senatsmitglieder, welche stets Voraussetzung für sachgerechte Entscheidungen ist und einer anzustrebenden künftigen Mehrheit der gewählten Mitglieder zur Vermeidung bereits jeglichen Anscheins der Möglichkeit politischer Einflussnahme auf die Senatsentscheidung im Sinne einer weitestgehenden „unabhängigen Selbstverwaltung“, ist aber auch die (verfassungsrechtliche) Frage einer allfälligen „Bindungswirkung“ der ernennenden Organe an (übereinstimmende) Personalsenatsentscheidungen besonders eingehend zu erörtern. Im Übrigen wäre jedoch das Innen- und Außensenatskonzept der richterlichen Personalsenate grundsätzlich auch auf den staatsanwaltschaftlichen Bereich übertragbar, auch wenn sich die Frage stellt, ob nicht bei Besetzungsvorgängen in Ansehung eines einzigen – unbestritten geeigneten – Bewerbers mit bloß einer Senatsentscheidung das effizientere Auslangen gefunden werden könnte. Auch die allfällige Zuständigkeit der staatsanwaltschaftlichen Personalsenate betreffend die Geschäftsverteilung muss den spezifischen Erfordernissen des Ermittlungsverfahrens nach rascher und flexibler Fallzuteilung (Teambildung) gerecht werden. Schließlich sind die Auswirkungen auf das Bundespersonalvertretungsgesetz und die Entsenderechte der Organe der gesetzlichen Personalvertretung und der – mittelbar durch die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte demokratisch legitimierten – Gewerkschaft öffentlicher Dienst umfassend zu diskutieren.

Ungeachtet all dieser Herausforderungen wäre jedoch eine strukturelle Annäherung der staatsanwaltschaftlichen Personalkommissionen an die richterlichen Personalsenate dennoch ein großer Schritt in Richtung verstärkter „staatsanwaltschaftlicher Selbstverwaltung“ und als solche zu begrüßen. Die Zeit sachgerechte Lösungen zu suchen und zu finden ist gekommen!