Editorial 2013-11

Grenzenlose Unabhängigkeit

von Manfred Herrnhofer

Unabhängigkeit von Richterinnen und Richtern, Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit im Verhältnis zu den übrigen Staatsgewalten im Sinne eines Prinzips von „check und balances“, ökonomische Absicherung von Entscheidungsorganen, Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen des IT – Zeitalters, all das sind justitielle Herausforderungen, die vor dem Hintergrund einer umfassenden Globalisierung aller Lebensbereiche längst nicht mehr an nationalen Grenzen Halt machen, sondern internationale Zusammenarbeit erfordern.

Bereits im Jahre 1953 haben sich die seinerzeitigen Verantwortlichen der österreichischen Richtervereinigung mit diesen Gedanken beschäftigt und vom 4. bis 6. September in Salzburg im Ständesaal den Gründungskongress der IAJ - UIM, der Internationalen Richtervereinigung gemeinsam mit den Staaten Italien, Brasilien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Luxemburg abgehalten und ein erstes Statut verabschiedet.

Die Zielvorstellungen waren darin klar formuliert: Förderung und (notfalls) Verteidigung der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit als Basis des Rechtsstaates und Garant für die Achtung der Menschen- und Freiheitsrechte, internationale Zusammenarbeit zum Zwecke des Erfahrungsaustausches unter den Mitgliedern und die Verabschiedung von Verbesserungsvorschlägen.

Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, wurden vier Studienkommissionen eingerichtet, die sich mit Dienstrecht, Zivil- und Zivilverfahrensrecht, materiellem und formellem Strafrecht, sowie Öffentlichem Recht befassen.

Der internationalen Richtervereinigung war in den sechzig Jahren nach ihrer Gründung ein unvorstellbarer Erfolg auf allen Kontinenten der Erde beschieden, nahmen doch über Einladung der ukrainischen Richtervereinigung an der diesjährigen Konferenz in Yalta auf der Halbinsel Krim in der Zeit von 5. bis 10.Oktober Delegierte von insgesamt 81 nationalen Richtervereinigungen teil. Montenegro wurde dabei als neues Mitglied aufgenommen, fünf neue Anträge von weiteren Vereinigungen werden geprüft.

Österreich und deren Repräsentanten waren nicht nur bei der Gründung maßgeblich beteiligt, sondern stellten mit Dr. Heinrich Bröll ( 1965 - 1967), Dr. Günter Woratsch (1988 - 1990) und Dr. Ernst Markel (2003- 2004) in der Vergangenheit drei überaus aktive Präsidenten. Der amtierende Präsident Dr. Gerhard Reissner ist uns allen bestens bekannt und trägt mit seiner Arbeit ebenso wie die langjährigen Vorsitzenden von Studienkommissionen Dr. Gerhard Kuras und Dr. Ronald Kunst in einem hohen Maße für die internationale Reputation der österreichischen Gerichtsbarkeit bei.

Durch die bedeutende Mitgliederanzahl und die strengen Aufnahmekriterien (Nachweis tatsächlicher Unabhängigkeit der Vereinigungen), vor allem aber durch seriöse und qualitativ hochwertige Arbeit und effiziente Willensbildung gelang es der Vereinigung in den internationalen Gremien Respekt und Anerkennung zu erlangen, sodass die IAJ – UIM heute Beobachterstatus bei der UNO und dem Europarat genießt und ihr Standpunkt bei justitiellen Themen von vielen Institutionen gehört wird.

Oft lieferten die in den Kommissionen der internationalen Vereinigung geborenen und in Resolutionen verabschiedeten Ideen wichtige Denkanstöße für nationale Fortschritte. Diese Hoffnung besteht auch für das vor der Regierungsbildung stehende Mitgliedsland Österreich. Auf der Tagung in Yalta wurde nämlich eine Empfehlung an alle Regierungen betreffend die Einrichtung eines Rates der Gerichtsbarkeit abgegeben.

Damit ist in einem weiteren internationalen Dokument (siehe auch die Rekommandation CM/REC (2010)12 des Ministerkomitees des Europarates und die Opinion Nr.10 (2007) des Consultative Council of European Judges) festgeschrieben, dass eine derartige Einrichtung dem modernen Entwicklungsstand eines Rechtsstaates entspricht und die strukturelle Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit gegenüber den anderen Staatsgewalten sichert.

In diesem Sinne verfügen die weitaus überwiegenden europäischen Staaten über einen Rat der Gerichtsbarkeit, bei den sogenannten Reformstaaten wie auch der Ukraine ist derselbe, ebenso wie der modernste Ethikkodex ausnahmslos verwirklicht.

Es bleibt nur zu hoffen, dass die Verantwortlichen bei der Regierungsbildung dies berücksichtigen – wir werden sie jedenfalls daran erinnern!