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Telekommunikationsgesetz 2003 PDF Drucken E-Mail

Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter und die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst haben zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 -TKG 2003 geändert wird (BMVIT 630.33/1-III/PT2/2009) folgende Stellungnahme abgegeben:

Vorbemerkung:

Der vorliegende Gesetzesentwurf schafft in teilweiser Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten (RL 2006/24/EG) Bestimmungen zur Speicherung von Daten auf Vorrat.

Leider geht es also um die Verpflichtung, Gemeinschaftsrecht umzusetzen, mit welcher Österreich bereits säumig ist. Es ist daher müßig, neuerlich die sehr problematischen Umstände des Zustandekommens der Richtlinie und der (damaligen) Motivlage zu hinterfragen. Das Hinauszögern der innerstaatlichen Umsetzung - nicht nur in Österreich - ist dafür ohnedies beredtes Zeugnis. Es ist und bleibt fraglich, ob der beabsichtigte Sicherheitsgewinn überhaupt erreicht werden kann, jedenfalls aber, ob ein möglicher Erfolg die Grundrechtseingriffe und die damit verbundenen Missbrauchsgefahren rechtfertigt. Grundsätzliche Befreiung von der Umsetzungsverpflichtung könnten nur Änderungen auf Gemeinschaftsebene durch eine entsprechende Rücknahme der getroffenen Regelungen oder ein Erkenntnis des EuGH bringen, an den eine Grundrechtsprüfung heranzutragen, durchaus empfohlen wird.

Allgemein wird aber anerkennend angemerkt, dass der Entwurf bestrebt ist, innerhalb des Rahmens der RL 2006/24/EG transparente und gut determinierte Bestimmungen zu schaffen und er sich eher an den unteren Grenzen der Eingriffsregelungen bewegt (insb. Speicherung für lediglich 6 Monate).

Wenngleich offen bleibt, ob und gegebenenfalls inwieweit hinsichtlich der Herausgabe gespeicherter Daten, Gesetzesänderungen (insbesondere der Strafprozessordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes) geplant sind, so entsteht jedenfalls der Eindruck, dass auf die bestehende Gesetzeslage zu wenig Bedacht genommen wurde. So wird mit dem Entwurf (beabsichtigt oder unbeabsichtigt?) auch in die Zugriffsmöglichkeit auf Daten eingegriffen, die auf Grund der StPO und des Sicherheitspolizeigesetzes bisher möglich war, wobei in diesen Gesetzen ein entsprechendes Rechtsschutzsystem vorgesehen und erprobt ist. Betroffen sind hier andere als bloße Vorratsdaten in Zusammenhang mit dem konkreten Verdacht von anderen als schweren Straftaten. Die Möglichkeiten sollten hier keinesfalls ausgedehnt werden, aber eine Einschränkung von bestehenden Möglichkeiten der StPO, wie sie sich auf Grund des gegenständlichen Entwurfes ergeben würde, dürfte nicht Bedacht haben, dass dadurch gerade auch Delikte betroffen wären, die entweder im Internet oder typischerweise unter Verwendung von Telekommunikationsmittel begangen werden. Auch auf die Kollision mit dem gemeinschaftsrechtlichen und innerstaatlichen Regelungsregime für Urheberrechtsverletzungen nimmt der vorliegende Entwurf nicht Bedacht.

Wenngleich keinerlei ziffernmäßige Ausführungen im Entwurf enthalten sind, leuchten doch zwischen den Zeilen beträchtliche Kosten dieses Gesetzesvorhabens bzw. der hier angekündigten Verordnung hervor. Da die richterliche Standesvertretung hinsichtlich wichtiger Resourcenwünsche innerhalb des Justizressorts immer wieder auf die sehr beschränkte Begrenzung des Justizbudgets hingewiesen hat, wird jedenfalls jetzt schon betont, dass diese Kosten durch zusätzliche Budgetmittel aufgebracht werden müssten.

Grundrechtseingriff - Empfehlung, die Grundrechtsprüfung an den EuGH heranzutragen:

Die RL 2006/24/EG verpflichtet zur fortgesetzten, flächendeckenden Speicherung bestimmter Kommunikationsdaten von Internet, Telefonie und E-Mail für einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten, und zwar ohne einen konkreten Anlassfall, namentlich ohne den konkreten Verdacht einer strafbaren Handlung. Darin liegt der grundlegende Paradigmenwechsel - die grundrechtlich verankerte Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 EMRK; Art 48 Grundrechtscharta) wird zum Teil ersetzt durch einen generellen Verdacht gegen alle Bürgerinnen und Bürger.

Zwar dürfen Inhaltsdaten nicht auf Vorrat gespeichert, doch bereits die Speicherung von Kommunikationsdaten auf Vorrat greift insbesondere in die Grundrechte auf Achtung der Privatsphäre (Art 8 EMRK; Art 7 Grundrechtecharta) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art 8 Grundrechtecharta) ein. Mit der Speicherung der Vorratsdaten gelangen dritte, wenn auch gesetzlich legitimierte Personen, in den Besitz einer unüberschaubaren Menge an Kommunikationsdaten über andere Personen, aus der nicht nur ein punktuelles Kommunikationsverhalten, sondern über einen Zeitraum von zumindest 6 Monaten ein sehr deutliches Bewegungsprofil jeder einzelnen Person erstellt werden kann.

Die Speicherung der Daten ist der erste und wichtigste Schritt zur Überwachung und bereits selbst eine Überwachungsmaßnahme. Umfassende Überwachung gefährdet die Demokratie, worauf der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) immer wieder hingewiesen hat (Ua EGMR 29.6.2006, 54934/00 Z 106 - Weber und Saravia gegen Deutschland). Die Missbrauchsgefahr ist angesichts der hohen Begehrlichkeit an diesen Daten evident.

Die Verhältnismäßigkeit und damit die Zulässigkeit dieses Grundrechtseingriffs konnte bisher nicht überzeugend dargelegt werden. Der Entwurf enthält zwar, der RL 2006/24/EG folgend, eine Zweckbindung für die Speicherung der Daten auf Vorrat, nämlich „ausschließlich zum Zweck der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten“. Die Erläuterungen verweisen hierzu auf die Entstehungsgeschichte dieser Richtlinie und darauf, dass der EU-Gesetzgeber ursprünglich an die Bekämpfung von Terror und schwerer organisierter Kriminalität gedacht habe.

Allerdings ist nicht überprüft, dass dieses Ziel nur mit einer flächendeckenden Vorratsdatenspeicherung erreichbar ist. Zum einen kann die Aufzeichnung von Daten leicht vermieden werden, zB durch Verwendung von Anonymizern oder durch Verträge mit Providern außerhalb der EU. Selbst der Entwurf nimmt im § 102a Abs 6 bestimmte kleine Unternehmen von der Speicherpflicht aus. Daher liegt es auf der Hand, dass gerade (potentielle) Täter schwerer Straftaten es wissen werden, sich einer Speicherung ihrer Kommunikationsdaten zu entziehen.

Zum Anderen sind bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung auch mögliche Alternativen durch ein Bündel von gelinderen Mittel einzubeziehen, wie das Quick-Freeze-Verfahren.
Es ist daher geboten, die Überprüfung der Grundrechtskonformität der RL 2006/24/EG an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich heranzutragen.

Kommentar zu ausgewählten Bestimmungen des Entwurfs

Zu § 92 Abs 3 Z 6b:
Danach werden „Vorratsdaten“ definiert als „Daten, die ausschließlich aufgrund der Speicherverpflichtung gemäß § 102a gespeichert werden.“
Diese Definition ist zu eng und könnte dahin interpretiert werden, dass jene Daten, die schon bisher (etwa zu Verrechnungszwecken) gespeichert wurden, nicht ausschließlich wegen der (neuen) Verpflichtung gemäß § 102a gespeichert werden, so dass diese Daten keine Vorratsdaten sind und damit nicht den dafür vorgesehenen strengen Bestimmungen unterliegen.
Die Definition sollte daher klarstellen, dass die Qualifikation als "Vorratsdaten" nicht verloren geht, wenn Anbieter diese Daten etwa auch für die Rechnungslegung und -prüfung benötigen.

Folgende Definition im § 92 Abs 3 Z 6b wird daher zur Diskussion gestellt:

„´Vorratsdaten´ Daten, die aufgrund der Speicherverpflichtung gemäß § 102a gespeichert werden, unabhängig davon, ob diese Daten auch für andere Zwecke (zB zur Verrechnung) erforderlich sind oder nicht.“

Zu § 102b:
Der Entwurf enthält erste Regelungen zur Herausgabe der auf Vorrat gespeicherten Daten. Hervorzuheben ist, dass § 102b für die Auskunft über Vorratsdaten eine gerichtliche Bewilligung und eine ausdrückliche, auf § 102a verweisende gesetzliche Ermächtigung voraussetzt. Diese ausdrückliche Klarstellung in Wiederholung und Ergänzung zu den bereits auf Grund der StPO gegebenen Bestimmungen wird ausdrücklich begrüßt.

Bei künftigen Detailregelungen zur Herausgabe der Vorratsdaten wird die Zweckbindung, nämlich Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten sehr genau zu beachten sein, wobei die bestehende Definition der schweren Straftaten keinesfalls zu eng, eher als zu weit gegriffen anzusehen ist.

Bereits an dieser Stelle wird betont, dass mit der durch die RL 2006/24/EG normierten Zweckbindung eine Auskunft über Vorratsdaten zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche (zB § 87b UrhG) unvereinbar wäre.

 
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