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Die Gründung der Sektion Wien PDF Drucken E-Mail

Die Vereinigung der österreichischen Richter nahm nach dem Krieg im Jahr 1948 ihre Tätigkeit auf Grund des Vereinsreorganisationsgesetzes wieder auf.

In der ersten Hauptversammlung wurden das Präsidium und ein Teil des Hauptausschusses, des nach den damaligen Statuten maßgeblichen Organs der Vereinigung gewählt. Zum anderen Teil sollten dem Hauptausschuss die von den Sektionen der Vereinigung gewählten Vertreter angehören, Sektionen aber gab es zu dieser Zeit nicht.

Schon vorher war im Rahmen des nach dem Krieg neu gegründeten ÖGB bzw. der Gewerkschaft der öffentlich Bediensteten die Sektion Richter und Staatsanwälte ins Leben gerufen worden. Der Vorsitzende der Gewerkschaftssektion war ab 1948 auch Präsident der Richtervereinigung; die Standesarbeit fand, soweit von einer solchen überhaupt gesprochen werden konnte, nur im Rahmen der Gewerkschaftssektion statt. In der Richtervereinigung blieb es bei der ersten Hauptversammlung von 1948, obwohl von den Statuten eine jährliche Versammlung vorgeschrieben war, bis 1951.

Im Februar 1950 entlud sich der Unmut der Richterschaft über die Standesarbeit in einer im Landesgericht für Strafsachen Wien abgehaltenen Protestversammlung, an der mehr als 200 Richter teilnahmen. Es wurde eine Resolution mit mehreren Forderungen beschlossen, darunter: Zielführende Verhandlungen über ein Richterdienstgesetz, Preisgabe der Personalunion an der Spitze der beiden Standesorganisationen und Wahl einer "repräsentativen Persönlichkeit zum Präsidenten der Richtervereinigung". Hiebei war von vornherein an den damaligen Senatspräsidenten des OGH Dr. Karl Wahle gedacht, der die ganze Zwischenkriegszeit über, nämlich von 1919 bis 1938, Mitglied des Hauptausschusses der Richtervereinigung gewesen war, im Jahr 1938 aus rassischen Gründen in den Ruhestand versetzt wurde und die Zeit des Krieges in Wien unter geradezu abenteuerlichen Umständen als "U-Boot" überlebte.1)

Die Protestversammlung führte schließlich im Verlauf des Jahres 1950 zu einer Änderung an der Spitze (nicht etwa der Richtervereinigung, sondern) der Gewerkschaftssektion, nachdem dort Wahlen durchgeführt worden waren. Im März 1951 war es an der Zeit, für die in der Richtervereinigung bis zum Sommer dieses Jahres wegen Ablaufes der dreijährigen Funktionsperiode abzuhaltenden Neuwahlen des Präsidiums und des Hauptausschusses vorzusorgen. Da in dem 1948 gewählten Hauptausschuss, dessen Aufgabe es nach den Statuten war, einen Vorschlag für die Wahl des Präsidiums und des (neuen) Hauptausschusses an die Hauptversammlung zu beschließen, mit Sicherheit keine Mehrheit für eine Wahl im Sinne der Resolution der Protestversammlung zu finden gewesen wäre, wurde die Gründung der Sektion Wien ins Auge gefasst und überdies Verbindung mit Kollegen in mehreren Bundesländern zwecks Gründung einer dortigen Sektion aufgenommen.

Die Gründungsversammlung der Sektion Wien wurde - nach entsprechender Vorbereitung wie Information der Kollegen und Gewinnung neuer Mitglieder - im Landesgericht für Strafsachen Wien abgehalten. Zu dieser Versammlung erschienen rund 120 Mitglieder der Richtervereinigung.

Für die Wahl der Sektionsleitung und der sechs Vertreter der Sektion im Hauptausschuss lagen zwei Vorschläge vor. Die Kandidaten des Vorschlags A) sprachen sich für die Resolution von 1950 aus, die Kandidaten des Vorschlags B) waren gegen eine Änderung an der Spitze der Richtervereinigung. Es wurden rund 170 gültige Stimmen (Anwesende und Vollmachten) abgegeben, die Kandidaten des Vorschlags A) wurden mit überwältigender Mehrheit gewählt.

Damit war der Weg frei für die Wahl Dr. Karl Wahles zum Präsidenten der Vereinigung der österreichischen Richter und für deren Ausbau zu einer tatkräftigen Standesorganisation. Binnen kurzer Zeit wurden in allen Bundesländern bzw. Sprengeln der Gerichtshöfe I. Instanz Sektionen gegründet, die Zahl der Mitglieder verdoppelte sich und erreichte in wenigen Jahren das Niveau der Vorkriegszeit, in der nahezu alle Richter der Vereinigung angehörten.


1) Näheres über Dr. Karl Wahle in RZ 1970/S 129.