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Schadenersatzrechts-Änderungsgesetz 2011 PDF Drucken E-Mail
Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter und die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der GÖD lehnen den Ministerialentwurf für ein Bundesgesetz, mit dem das
Schadenersatzrecht geändert wird (BMJ-Z7.700/0004-I 2/2010) ab.

Dabei verweisen wir zunächst auf die erforderlichen Grundrechtsabwägungen bzw. die detaillierte und übersichtliche Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen durch Hufen, Pränatales Leben und Behindertendiskriminierung in Kopetzki/Pöschl/Reiter/Wittmann-Tiwald, Körper-Codes: Moderne Medizin, individuelle Handlungsfreiheiten und die Grundrechte (Linde 2010) 33 ff.

Dazu ist anzumerken, dass mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung eine kleine Gruppe von Ärztinnen und Ärzten von der Schadenersatzhaftung selbst dann ausgenommen wird, wenn sie Untersuchungen absichtlich unterließen, Diagnosen vorsätzlich verschweigen oder sonst grob fahrlässig arbeiten, während alle anderen Ärztinnen und Ärzte auch für bloß leichte Fahrlässigkeit bei einer Heilbehandlung und/oder Aufklärung haften. Umgekehrt wird einer Gruppe von Personen, und zwar behinderten Kindern und ihren Eltern, jeder Schadenersatzanspruch genommen. Zu den in diesem Zusammenhang als erforderlich bezeichneten öffentlichen Leistungen für die Betreuung behinderter Kinder gibt es noch nicht einmal einen Gesetzesentwurf. Die geplante Ausnahme von jeglicher Schadenersatzhaftung ist sachlich nicht zu begründen, sodass schon deshalb Bedenken wegen des Verstoßes gegen das verfassungsgesetzliche Gleichheitsgebot bestehen.
Darüber hinaus steht die vorgeschlagene Gesetzesänderung im Widerspruch zu fundamentalen Grundsätzen des Schadenersatzrechts. So vernachlässigt diese die Präventivwirkung des Haftungsrechts, der gerade im Gesundheitsbereich erhebliche Bedeutung zukommt und deren Auswirkungen vielfach über die Präventivwirkung strafrechtlicher Sanktionen hinausreichen.

Aber auch die sprachliche Umsetzung der in den Materialien genannten Zielsetzungen im geplanten Normtext ist missverständlich und sollte jedenfalls im Hinblick auf einen möglichst geringen Auslegungsbedarf überdacht werden. Exemplarisch sei darauf verwiesen, dass nach Satz 2 von der Haftungsbefreiung gemäß Satz 1 „Schadenersatzansprüche aus einer Verletzung des Kindes während der Schwangerschaft oder der Geburt“ ausgenommen sind. Dies ist insoweit sinnwidrig, als solche Ansprüche in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Geburt des Kindes stehen und damit nicht aus diesem Umstand resultieren. Die Ausnahme in Satz 2 regelt damit Fälle, die bei genauer Betrachtung nicht von der in Satz 1 normierten Regel umfasst sind. Außerdem ist der Ausschluss von Schadenersatzansprüchen „aus dem Umstand einer Geburt eines Kindes“ grundsätzlich zu weit gefasst. Dies würde beispielsweise etwa auch Schadenersatzansprüche eines vermeintlichen Vaters umfassen, der erst nachträglich erfährt, dass er nicht der leibliche Vater des Kindes ist.

 
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