Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter und die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (BV 23) haben zum Entwurf eines Bundesgesetzes zur Sicherung der Transparenz bei der Wahrnehmung politischer und wirtschaftlicher Interessen (Lobbying– und Interessensvertretungs-Transparenz-Gesetz - LobbyG) (BMJ-Z7.053/0003-I 2/2011) nachstehende Stellungnahme abgegeben:
I.) Allgemeines In den Erläuterungen zum Entwurf wird als Ziel die Schaffung von klaren Verhältnissen bei Tätigkeiten, die der Beeinflussung staatlicher Entscheidungsprozesse dienen, genannt. Genau dieses Ziel wird aber durch die Verwendung von unbestimmten Gesetzesbegriffen – insbesondere in den Definitionen des „Interessensvertretungsunternehmens“ und des „Interessensverbands“ - nicht erreicht, weshalb schon aufgrund des Determinierungsgebots des Art 18 Abs 1 B-VG verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Es ist völlig unklar, wer beispielsweise von den im Begutachtungsverfahren genannten Institutionen unter diese Definitionen fällt. Generell ist festzuhalten, dass durch die bereits lange geforderten legistischen Maßnahmen bei der Finanzierung von politischen Parteien (Stichwort „Parteispenden“ etc) und einer - entgegen der zuletzt vorgenommenen Entschärfung des Korruptionsstrafrechts - gezielten Ausweitung der entsprechenden Bestimmungen auch auf Mitglieder gesetzgebender Einrichtungen den im Gesetzesentwurf genannten Zielsetzungen wesentlich effizienter entsprochen werden könnte, als durch die Schaffung von Interessensvertretungsregistern und „Wohlverhaltensregeln“. Insgesamt erscheint aus Sicht der Standesvertretungen der vorliegende Gesetzesentwurf als zu kurz gegriffen. II.) Im Besonderen Zu § 1 Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb Aktivitäten mit dem Ziel direkter Einflussnahme auf einen bestimmten Entscheidungsprozess auch der österreichischen Gerichtsbarkeit ausgenommen sein sollen. Der in den Erläuterungen angeführte Umstand, dass die Beeinflussung von Entscheidungen der Gerichtsbarkeit generell unzulässig ist, wird hiefür allein wohl nicht ausreichen. Die Vertretungstätigkeit der anerkannten berufsmäßigen Parteienvertreter hätte auch in diesem Bereich einen entsprechenden Ausnahmetatbestand (wie bereits jetzt für den Verwaltungsbereich) zu bilden. Ebenso ist nicht ersichtlich, weshalb dieser Entwurf auf Bundesvergabeverfahren nach dem Bundesvergabegesetz keine Anwendung finden soll. Auch dass Organe und Mitarbeiter von anderen Rechtsträgern als Gebietskörperschaften (etwa ausgegliederte Unternehmen) unabhängig von den Eigentumsverhältnissen nach den Erläuterungen offenbar nicht unter den Funktionsträgerbegriff fallen, kann Regelungslücken erzeugen, da diesfalls Lobbying selbst gegenüber Organen von etwa im Alleineigentum einer Gebietskörperschaft ausgegliederten Rechtsträgern offenbar nicht dem gegenständlichen Gesetzesentwurf unterfällt. Als Ausnahmetatbestand sollten auch Tätigkeiten historisch gewachsener (nicht gesetzlich eingerichteter aber in ihrem Vertretungsanspruch allgemein anerkannter) Standesvertretungen (wie etwa auch der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, der Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der GÖD aber auch der Vereinigung österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte) verankert werden. Diese unterfallen nach dem Entwurf wohl dem Begriff „Interessenverband“ (§ 3 Z 6), deren Organe, Funktionäre und Dienstnehmer jenem der „Interessenvertreter“ (§ 3 Z 7). Zu diesen Vereinigungen könnte infolge der Verpflichtung ihrer Mitglieder zur Leistung von Mitgliedsbeiträgen eine entgeltliche Tätigkeit argumentiert werden (auch wenn dies in den Erläuterungen des Entwurfes verneint wird). Es ist nicht einzusehen, weshalb diese Vertretungen, welche während ihrer langjährigen Tätigkeiten keinen Anlass zur Erlassung von Vorschriften, wie sie nun diesem Entwurf zugrunde liegen, geboten haben, bloß aufgrund aktueller Vorfälle zu einzelnen Personen – teilweise aus dem politischen Bereich – in den Regelungsbereich dieses Gesetzesentwurfes einbezogen werden sollten. Eine Ungleichbehandlung zu gesetzlich eingerichteten beruflichen Interessensvertretungen (welche mit Ausnahme der Registrierungspflichten) dem Anwendungsbereich dieses Entwurfes nicht unterfallen, ist nicht argumentierbar. Hinsichtlich der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter darf auch darauf hingewiesen werden, dass sie entsprechend ihren Satzungen und auch in der öffentlichen Wahrnehmung Sprachrohr der dritten Staatsgewalt im Interesse des Rechtsstaates ist. Offensichtlich ist auch nicht daran gedacht, Parlamentsklubs, denen eine vergleichbare Funktion zukommt, dem Gesetz zu unterstellen. In diesem Sinne führen auch die Erläuterungen aus, dass politische Parteien keine Interessenverbände im Sinne dieses Entwurfes sind, weil sie weder auf vereinsrechtlicher noch auf vertraglicher Grundlage errichtet sind, sondern Rechtspersönlichkeit nach § 1 Abs 4 Parteiengesetz (BGBl 404/1975) erlangen. Zu § 3 Weshalb natürliche Personen, welche entgeltlich bloß singulär und ohne fortlaufende Gewinnerzielungsabsicht im Sinne eines Einzelunternehmers Lobbyingaufträge wahrnehmen, nicht erfasst sind, bildet eine auffällige Lücke, welche die Gefahr von Umgehungen in sich birgt. Zu § 4 Die generelle Pflicht der Interessenvertretungsunternehmen, Interessenträger u.a. ihrer Geschäftstätigkeit den Verhaltenskodex (§ 7) einer repräsentativen Vereinigung von Interessenvertretungsunternehmen oder einer gesetzlich eingerichteten beruflichen Interessenvertretung zugrunde zu legen und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein solcher Verstoß gemäß § 17 Abs 3 strafbewehrt ist (siehe auch die Erläuterungen), lagert die Definition einer Tatbestandsvoraussetzung (nämlich die Gestaltung eines Verhaltenskodex) in den Privatbereich aus, was (auch gemäß § 2 ) verfassungswidrig erscheint. Damit wird letztlich die Schaffung materiellen (Verwaltungs-) Strafrechts in den privaten Bereich ausgelagert. Denn wie sogar die Erläuterungen hiezu wörtlich ausführen, richtet sich die Strafbarkeit in diesem Punkt nach denjenigen Regeln, denen sich die betreffende Person letztlich privatautonom unterworfen hat. Am Rande sei hier in Frage gestellt, ob die Idee, dass verschiedene Lobbyisten, die wohl schon begrifflich unterschiedliche Interessen verfolgen, repräsentative Vereinigungen bilden werden, realistisch erscheint. Zu § 10 Die in Abs 5 eröffnete Möglichkeit, mit Verordnung der Bundesministerin für Justiz die Führung und Betreuung samt Einsichtsgewährung und Streichung betreffend das IVR auch auf eine Justizbehörde in den Ländern zu übertragen, wenn dies aufgrund des Aufwandes (besser) den Grundsätzen einer wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung entspricht, zeigt nicht, inwieweit die Verlagerung dieser Aufgaben auf – nach dem klaren Gesetzeswortlaut – eine andere Behörde effizienter erscheinen soll, als die Führung durch das Bundesministerium für Justiz selbst. Hier darf auch an die schon derzeit gegebene hohe Belastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften erinnert werden, für deren Bewältigung schon jetzt zusätzliches Personal dringend erforderlich wäre. Insbesondere erscheint aber die Zulässigkeit einer Verlagerung auf Gerichte und Staatsanwaltschaften fraglich und unter Beachtung des Art 90a B-VG aus Überlegungen der Trennung der Gerichtsbarkeit von der Verwaltung in allen Instanzen bedenklich, kann doch keinesfalls ausgeschlossen werden, dass zum selben Lebenssachverhalt bei diesen Gerichten bzw Staatsanwaltschaften ein Strafverfahren bzw strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt wird, gleichzeitig aber diese Stelle im Verwaltungsweg (AVG, VStG) auch ihre Aufgaben nach diesem Gesetzesentwurf wahrzunehmen hätte. Diese Problematik werfen im Übrigen auch die Erläuterungen auf, die darauf hinweisen, dass zur Vermeidung einer allfälligen Doppelbestrafung eine Verwaltungsstrafe nur dann zu verhängen ist, wenn das fragliche Verhalten nicht ohnedies gerichtlich strafbar ist. Zu §§ 11 f Die Angabe, ob der Aufwand für die Lobbyingtätigkeit für das abgelaufene Geschäftsjahr insgesamt den Betrag von 100.000,-- Euro übersteigt (ohne somit den konkreten Betrag offenzulegen oder nach Einzelaufträgen Aufwand und Honorar anzugeben) wird keine Transparenz darin bewirken, mit welcher Intensität und welchem Gewicht einzelne Aufträge ausgestattet wurden. Zu § 16 ff Die vorgesehenen Sanktionen erscheinen – insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die mit Lobbyisten vereinbarten Honorare nicht selten im Millionenbereich bewegen – insgesamt im Verhältnis zur Bedeutung der Geschäftsinhalte gering. Zu § 18 Auffällig ist auch, dass die betreffend das IVR streichungswürdigen strafrechtlichen Verurteilungen § 302 StGB nicht umfassen (dessen Ergänzung auch inhaltlich in den Erläuterungen ausgeführt wird). Die Ausweitung der Streichung auf generell unmittelbar im Zusammenhang mit der Lobbying-Tätigkeit verwirklichte (und noch festzulegende) Straftatbestände könnte erwogen werden. Zu § 19 Generell wird es nicht besonders wirksam sein, den Verfall nur auf ein Erfolgshonorar bzw im Wissen um die unterbliebene Eintragung Gegebenes zu beschränken. Es könnte angedacht werden, darüber hinaus auch jedes sonstige Honorar, das an einen nicht im IVR eingetragenen bzw gegen zu definierende wesentliche Pflichten verstoßenden Lobbyisten geleistet wird, einzubeziehen, um eine entsprechende generalpräventive Wirkung zu entwickeln und zu vermeiden, dass die derzeit unzureichend erscheinenden Sanktionen für den Entdeckungsfall bereits präventiv im Vorfeld einkalkuliert werden. Die vorgesehene Nichtigkeit samt Verfall zugunsten des Bundes bloß auf jene Fälle zu beschränken, in denen der Auftraggeber auch in diesem Wissen seine Leistung an den Lobbyisten erbracht hat, begünstigt den Einsatz eingetragener Lobbyisten nicht wesentlich, da im Falle mangelnder Wissentlichkeit der Auftraggeber seine Leistung infolge Nichtigkeit wohl zurückfordern wird können. Auch in diesen Fällen könnte ein Verfall zugunsten des Bundes erwogen werden. Mag. Manfred Herrnhofer, Vizepräsident Dr. Martin Ulrich, Vorsitzender-Stellvertreter |