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Editorial 12/2011 PDF Drucken E-Mail
Brief ans Christkind?
von Manfred Herrnhofer

Die Vorweihnachtszeit wird gerne assoziiert mit Begriffen wie Besinnung, Innehalten und Vorbereitung auf das Weihnachtsfest.

Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus: Die Stimmung ist getrübt durch beunruhigende Nachrichten aus dem In- und Ausland betreffend drohender Staatspleiten von EU-Staaten, hektischer politischer Maßnahmen gegen einen Zerfall der Eurozone (EU-Rettungsschirm mit Hebelwirkung, Eurobonds etc), explodierender Staatsschulden, trüber Konjunkturaussichten und innerstaatlicher Sparmaßnahmen inklusive gesetzlicher Verankerung einer „Schuldenbremse“.

Wie nicht anders zu erwarten, rückt der Öffentliche Dienst unter dem Stichwort „Verwaltungsreform“ als der angebliche Kostentreiber mit den größten Einsparungspotentialen in den Blickpunkt der Begehrlichkeiten so mancher „Experten“.

Wie immer werden die Diskussionen über Sparpotentiale, Bezugssysteme, dienst- oder pensionsrechtliche Fragen hierzulande mit stark ideologischem Hintergrund geführt.

Insbesondere die Politik scheut zum Teil bei der Diskussion und Verhandlungen mit den Interessensvertretern über derartige Themen nicht davor zurück - aus purem taktischem Kalkül - auf Stereotypen und Ressentiments  zurückzugreifen.

Die hervorragenden Leistungen des öffentlichen Sektors als Grundlage für das Funktionieren des Staates, Garant für innere und äußere Sicherheit, sozialen Frieden und als Fundament für wirtschaftliche Prosperität werden dabei geflissentlich negiert.

Will man der medialen Berichterstattung und den Ergebnissen von mehr oder weniger repräsentativen Meinungsumfragen Glauben schenken, kommt gerade die Justiz in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit nicht besonders gut weg.

Der behauptete Vertrauensverlust wird dabei vor allem auf die lange Verfahrensdauer diverser von den Staatsanwaltschaften geführter Ermittlungsverfahren gegen prominente Persönlichkeiten und Aufsehen erregender Wirtschaftscausen zurückgeführt.

Die Fakten zeigen ein anderes Bild:
Die Ergebnisse einer im Auftrag des Bundesministerium für Justiz durch das international renommierte Wirtschaftsberatungsunternehmen Deloitte durchgeführten Studie zur Personalbedarfsberechnung (PAR II) weisen aktuell einen Fehlbestand von 175 Richterinnen und Richter, 31 Planstellen bei den Staatsanwaltschaften und 118 Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern aus, im Kanzleibereich sieht es nicht besser aus, hier gibt es aber keine anerkannte Berechnung.

Ungeachtet dessen wird in der Justiz das „Tagesgeschäft" in gewohnt qualitätsvoller und - je nach vorhandenen Ressourcen bei den einzelnen Einheiten - binnen raschest möglicher Zeit erledigt. Dies wird von den Verfahrensbeteiligten und deren Vertretern, also den unmittelbar von den Leistungen der dritten Staatsgewalt Betroffenen auch überwiegend honoriert.

Dass die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes und der Qualität bei dem ausgewiesenen Fehlbestand eine unabgegoltene Mehrarbeit aller Entscheidungsträger (all-in-Bezug - keine tatsächliche Überstundenabgeltung!) voraussetzt, wird von der Politik ebenfalls nicht erwähnt.

Bereits im Jahre 2010 wurde angesichts ähnlicher Zahlen im Zuge von Verhandlungen mit Unterstützung der Kollegenschaft eine Personalaufstockung erreicht und eine Zusage erwirkt, im Falle eines weiteren Bedarfs im Jahre 2011 ohne mediale Begleitung in Verhandlungen zu treten.

Durch die nunmehr schon länger andauernde starke Konzentration auf Wirtschaftsstrafverfahren und Abwanderung mehrerer Generationen von Richteramtsanwärtern zu Staatsanwaltschaften ist jetzt dem Personalmangel im Gerichtsbereich besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Zur dringend notwendigen Personalsaufstockung haben die Standesvertretungen im Juli 2011 ein Schreiben zwecks Aufnahme der zugesagten Verhandlungen an die zuständige Ministerin Heinisch-Hosek gesandt.

Wir haben damals nicht damit gerechnet, dass es ein Brief an das Christkind wird, denn die Einladung für 25.11.2011 wurde wegen der laufenden Verhandlungen auf den 22.12.2011 verschoben.
Wie ernst der Politik ihre Bekenntnisse für eine funktionierende Justiz sind und ob es auch für die dritte Staatsgewalt ein fröhliches Weihnachtsfest geben wird, davon werden wir Euch berichten.

 
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