Schuld und Verantwortungvon Gerhard Jarosch
Nach langem hin und her kommt er jetzt endlich: der Untersuchungsausschuss, der alles aufklären soll, was in den letzten Jahren an politischen Skandalen die Republik bewegt haben soll. Telekom, BUWOG, Tetron, Glückspielgesetz, Inseratenaffäre, Staatsbürgerschaftskauf,…. Ein Sittenbild dieses Landes, in dem unklare, manchmal illegale Geldflüsse, Absprachen und Einflussnahmen im Dreieck Politik, Wirtschaft und Medien zwischen einigen wenigen die Sachen so gedreht wurden, wie sie das eben wollten. Nicht selten auch zum eigenen Vorteil. Die Grenze zwischen der strafrechtlichen Aufklärung, also der Suche nach Schuld und der Aufdeckung politischer Verantwortung ist dabei unscharf. Ein Konflikt zwischen beiden Bereichen kaum vermeidbar. Die Ermittlungsarbeit der Strafjustiz ist zäh und langwierig: Um die Geldflüsse in Steuer- und Stiftungsoasen in aller Welt nachvollziehen zu können, müssen wir für manche Rechtshilfeersuchen bis zu zwei Jahre (!) ansetzen. In den meisten dieser Fälle soll ein Staatsanwalt mit der Hilfe einer Hand voll Kriminalbeamter komplexe Strukturen und über viele Jahre verteilte Vorgänge nachvollziehen, ohne ein greifbares Opfer zu haben, das ihm wertvolle Informationen geben könnte. Da die Insider (selbst Beschuldigte) bis auf einen Ausnahmefall nicht über das Geschehene reden wollen, bleibt nur der weite Umweg über Geldflüsse (siehe mehrjährige Rechtshilfeersuchen) und die Durchforstung von Unterlagen von oft mehreren Terabyte. Dass somit jedes dieser Ermittlungsverfahren unter den gegebenen Rahmenbedingungen Jahre dauert, ist eine bedauerliche, aber logische Konsequenz. Am Ende wollen wir schließlich eine fundierte Anklage oder Einstellungsbegründung haben. Rechtsstaat eben. Die Aufklärung, die die Medien und manche Politiker als solche verkaufen, ist dagegen weit einfacher. Wenn etwas stinkt, dann war da was faul und gegen die üblichen Verdächtigen wird die Unschuldsvermutung ausgerufen. Mit nicht rechtsstaatlichen Mitteln. Die Differenzierung zwischen unsauberem politischem Verhalten oder unmoralischer Handlungen auf der einen Seite und nachweisbaren Straftaten auf der anderen wird von den meisten der vielen Mitredenden nicht vorgenommen. Und da der Rücktritt eines Verantwortlichen in diesem Land die seltene Ausnahme bleibt, warten alle gespannt auf die Justiz. Es bleibt uns als Staatsbürgern die Hoffnung, dass der kommende Untersuchungsausschuss nicht in Tumulten, unsubstantiierten Schuldzuweisungen und untergriffigen Fragestellungen an Auskunftspersonen untergeht, sondern von dem ehrlichen Bemühen getragen sein wird, die politische Verantwortung ruhig und sachlich aufzuklären. Es bleibt zu hoffen, dass die Vernebelungstaktik, die Justiz anzugreifen, um von den wirklichen Tätern abzulenken, auch als solche aufgezeigt wird. Und es bleibt zu hoffen, dass die Arbeit des Ausschusses nicht vorschnell die Ergebnisse der Ermittlungsverfahren aus politischem Kalkül öffentlich verfeuert und die Arbeit der Strafjustiz dadurch ad absurdum führt. Als StaatsanwältInnen und RichterInnen dagegen wollen wir in fairen und rechtsstaatlichen Verfahren ermitteln, ob bei all diesen Skandalen auch strafrechtlich Schuldige zu finden sind. So gründlich (und scheinbar langsam) wie nötig, aber auch so rasch wie nur irgendwie möglich. Womit wir wieder bei den Rahmenbedingungen wären: Die personelle und sachliche Ausstattung bei Staatsanwaltschaften, Gerichten und auch bei der Kriminalpolizei müssen noch deutlich verbessert werden. Der im letzten Editorial von Charlotte Schillhammer erhobenen Forderung eines umfassenden Assistenzsystems können noch der Ausbau des ExpertInneneinsatzes, die flächendeckende Ausstattung mit moderner EDV und eine langfristig vorausschauende Personalbewirtschaftung hinzugefügt werden. Auch die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in Strafverfahren muss, zumindest in Europa, drastisch beschleunigt werden. Erste Schritte wurden schon gesetzt, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns, um derartige Korruptionsverfahren wirklich schnell durchführen zu können. Das haben wir uns als Staatsbürger verdient! |