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Editorial 09/2012 PDF Drucken E-Mail
Was es sonst noch braucht...
von Gerhard Jarosch

Um der – teils auch berechtigten – Kritik an der Gerichtsbarkeit etwas entgegen zu setzen, müssen wir auf vielen Ebenen reagieren. Eine besonders wichtige Ebene ist die Beschleunigung der clamorosen Strafverfahren. Auch wenn diese Verfahren nur einen winzigen Bruchteil der justiziellen Arbeit ausmachen – sie haben die größte Aufmerksamkeit in der Bevölkerung. Dass „da nix weitergeht“, gleich ob wahr oder herbeigeschrieben, ärgert besonders. Was aber können wir tun? Mehr Planstellen für Staatsanwaltschaften und Gerichte sind eine absolute Notwendigkeit, aber dazu nicht mehr an dieser Stelle, sondern einmal zu den anderen Faktoren:

Die Arbeit, die in den Kanzleien gemacht wird, ist wichtig und notwendig, hat aber mit der möglichen Unterstützung der StaatsanwältInnen gerade in komplexen Großverfahren wenig zu tun. Die Arbeitsabläufe in solchen Verfahren verlangen regelmäßig Tätigkeiten, die die Kompetenzen (meist aber nicht die Kompetenz!) der KanzleimitarbeiterInnen bei weitem überschreiten. Statt Hand in Hand mit StaatsanwältInnen oder RichterInnen am Akt zu arbeiten und eigenständig Teilbereiche abzudecken, werden unsere MitarbeiterInnen auf Einjournalisieren, Abfertigen von Verständigungen und ähnliches reduziert. Erzählt man Freunden aus der Privatwirtschaft über unseren Arbeitsalltag, erntet man im nettesten Fall ein leicht verstörtes Lächeln. Die Kanzlei muss mit in ein Team, das sich die vorhandene Arbeit flexibel aufteilt. Ob das nun Teamassistenz oder sonst wie heißt, ist weniger bedeutsam.

Zu diesem Team gehören natürlich die Experten, die die Arbeit am Fall mit ihrer Erfahrung bereichern. Dass wir bis heute – abgesehen von zwei Ausnahmen - nur bei der WKStA dauerhaft Experten einsetzen, kann wohl nur der Anfang sein. Die Vorarbeit bei Ermittlungen gemeinsam mit Experten zu führen, beschleunigt das Verfahren, nicht zuletzt durch die Konzentration bei der Beauftragung der Sachverständigen. Der zu untersuchende Sachverhalt kann vermutlich nicht in jedem Großverfahren schon zu Beginn durch die Beiziehung von Expertenwissen eingegrenzt werden, aber es genügt schon, ein paar dieser Fälle, in denen wir ansonsten jahrelang in alle Richtungen ermitteln, auf den wesentlichen Kern zu beschränken.

Bei den meisten Großverfahren müssen Unmengen an Daten sichergestellt, gespeichert und ausgewertet werden. Auch hier würden die Einbindung von IT-Experten und die Bereitstellung von Hard- und Software nicht nur zu einer Beschleunigung sondern auch langfristig zu massiven Kosteneinsparungen führen. Heute bedienen wir uns meist externer Firmen, die sich ihre (tatsächlich meist ausgezeichnete) Arbeit viel Geld kosten lassen.

Die Internationale Zusammenarbeit muss – zumindest auf EU- und Europaratsebene – wesentlich beschleunigt werden. Nach dem erfolgreichen Vorbild des Europäischen Haftbefehls brauchen wir transnationale Instrumente zur Beschleunigung der Beweissicherung in anderen Ländern. Wie kann es sein, dass die gerichtliche Bewilligung etwa von Hausdurchsuchungen oder Kontenöffnungen sowohl im ersuchenden, als auch im ersuchten Land durch alle Instanzen hindurch bekämpfbar ist? Das hat im zusammenwachsenden Europa nur noch wenig mit Rechtsstaatlichkeit zu tun, es dient nur noch der Absicherung von Kriminellen, die sich off-shore-Konten, geschützte Stiftungen und Rechtsanwaltsteams in allen Ländern leisten können.

Unsere tradierten Strukturen sind für die weitaus überwiegende Zahl der Strafverfahren gut und ausreichend. Aber für einige Dutzend Verfahren sind sie etwa so gut gerüstet wie die Schiffe des 16. Jahrhunderts für eine Atlantiküberquerung – manche schaffen es, andere sinken. Da aber nicht nur das Vertrauen in die Staatsanwaltschaften, sondern in die gesamte Gerichtsbarkeit zum großen Teil an diesen Verfahren gemessen wird, müssen wir in moderne Strukturen investieren. Es zahlt sich aus!

 
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