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Editorial 12/2012 PDF Drucken E-Mail

Von Wirkungen und unerwünschten Nebenwirkungen…

von Klaus Schröder

In den letzten Jahren macht sich der Trend bemerkbar, dass das Strafrecht und das Kriminaljustizsystem zunehmend mit politischen Steuerungsaufgaben aufgeladen werden. Strafrecht wird – dem politischen Anspruch nach - Systemschutz-Strafrecht. Das Strafrecht muss vor dieser nicht zu bewältigenden Aufgabe versagen, weil seine Steuerungskraft dafür nicht gemacht ist.

Der Zugriff des Strafrechtes muss sich auf zentrales Unrecht konzentrieren, muss es kenntlich und öffentlich machen, in rechtsstaatlicher und justizförmiger Vorbildlichkeit. Zieht man diese Konsequenzen nicht, drohen Verformung und Zerstörung des zerbrechlichen rechtsstaatlichen Strafrechtes und seiner Institutionen. Vor allem müssen sich Öffentlichkeit und Politik darüber im Klaren sein, dass das Strafrecht kein gesellschaftspolitisches Allheilmittel für die Reparatur von Staat, Gesellschaft und beschädigten Einzelschicksalen ist. Es ist auch kein Ersatz für politische Kultur und Ethik. Nur in seinem beschränkten, strikt rechtsstaatlichen Zugriff entfaltet das Strafrecht seine freiheitsschützende Wirkung.

Es muss vor allem Abstand genommen werden von der Vorstellung, dass das Strafrecht totale gesellschaftliche Sicherheit zu bieten vermag. Eher das Gegenteil ist der Fall. Das Streben nach totaler Sicherheit führt nur zu einem: Der Vernichtung der letzten Reste von Freiheit.

Oder anders formuliert: Die geschichtliche Erfahrung weist über die Sicherheitsmaximierung direkt in die Unfreiheit.

Die Freiheit stirbt mit der Sicherheit.

Aktuelle Beispiele sind die kürzlich eingeführte Vorratsdatenspeicherung, aber auch andere gesetzliche Regelungen, wie teilweise schwer fass- und kontrollierbare Maßnahmen zur erweiterten Gefahrenabwehr nach dem SPG oder molekularbiologische Massenscreenings.

Die Justiz leistet mit ihrer Friedensfunktion einen entscheidenden Beitrag zur gesellschaftlichen Berechenbarkeit und damit zu einer der wesentlichen Eigenschaften des Rechtsstaates. Dabei braucht und darf die Justiz in ihrer demokratischen Rechtfertigung und in ihrer politischen Rolle nicht wie die Politik populistisch zu sein. Der spezifisch politische Charakter der Justiz besteht eben gerade in ihrer Immunität gegenüber den aktuellen Zurufen der Tagespolitik. Aufgrund des zwischen dem Gesetz und dem Richter und Staatsanwalt bestehenden Bandes stimmt es tief bedenklich, wenn immer wieder eine gelenkte öffentliche Meinung, aber auch Einzelpersonen mit und ohne Amt sich vor und neben gesetzmäßigen Verfahren als Richter und Staatsanwalt aufspielen oder sich gar über diese verfassungsmäßig eingerichteten Organe setzen, sobald die von diesen gefällten Entscheidungen nicht dem tagespolitisch aktuellen, persönlichen oder ideologischen Konzept entsprechen. Beispiele dafür gibt es in der Geschichte der zweiten Republik leider nur all zu viele und zwar quer durch alle politischen Lager.

Jenseits des Gesetzes und der zur Rechtsumsetzung eingerichteten gesetzlichen Organe gibt es keinen Rechtsstaat.

Die Justiz ist eines der wichtigsten rechtsstaatlichen Instrumente. Dort wo jedoch der Wille zur Macht den Willen zum Recht verdrängt, geht auch die Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger eines Landes verloren. Die Justiz tut gut daran, sich nicht mit den Mächtigen zu verbünden, um so unbeeinflusst ihre Kontroll- und Rechtsschutzfunktion im Staat wahrzunehmen.

Wenn ein demokratisches Gewaltenteilungssystem kippt, kann die Gesellschaft leicht in ein autoritäres Fahrwasser geraten, das zunächst vielleicht publikums- und medienwirksam unter dem Titel der Effizienzsteigerung, der Wirtschaftlichkeit und der verbesserten Gefahrenabwehr gehandelt wird, letztlich aber die Freiheit und die demokratischen Grundrechte des Bürgers zur Disposition stellt.

 
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