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Antikorruptionsgesetz PDF Drucken E-Mail
Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter und die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst erstatten zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafprozessgesetz, die Strafprozessordnung 1975 und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (BMJ-L318.027/0001-II 1/2009) – infolge der äußerst kurz bemessenen Stellungnahmefrist nur die bedeutendsten Themenbereiche umfassende – Stellungnahme:

I. zu den in Aussicht genommenen Änderungen des StGB:

1. ad § 74 StGB:
Es wird vorgeschlagen, die Aufnahme etwa der Wortfolge „beziehungsweise Beauftragter“ („… deren Organ oder Dienstnehmer beziehungsweise Beauftragter wahrnimmt, …“) in § 74 Abs  1 Z 4a lit a StGB sowie etwa der Wortfolge „… eines Dienstverhältnisses oder sonstigen Auftragsverhältnisses …“ in § 74 Abs 1 Z 4a lit c StGB zu erwägen, um bezüglich der bisherigen Strafbarkeit des „sachverständigen Beraters“ iSd des nach dem vorliegenden Entwurf aufzuhebenden § 306a StGB (Geschenkannahme durch Mitarbeiter und sachverständige Berater) keine unbeabsichtigte Strafbarkeitslücke entstehen zu lassen und um dadurch auch Personen zu erfassen, welche weder Organ oder Dienstnehmer (siehe zu deren persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit sowie Einbindung in die Organisationsstruktur der Körperschaft die in Aussicht genommenen Erläuterungen) sind noch in Vollziehung der Gesetze tätig werden (z.B. „externe Berater auf Werkvertragsbasis“).

2. ad §§ 304, 307 StGB:
Die deutliche Rückführung des Anwendungsbereiches des dzt strafbaren „vorsorglichen Anfütterns“ auf Fälle, in welcher der Vorteilsgeber, der von einer vom Vorteilsempfänger oder einem Mitarbeiter vorzunehmenden, mit Wahrscheinlichkeit absehbaren und im übrigen inhaltlich bestimmten Amtshandlung betroffen oder an deren Vornahme oder Unterlassung interessiert ist (§ 304 Abs 3 erster Satz, § 307 Abs 3 erster Satz StGB), stellt eine rechtspolitische Entscheidung dar, welche jedoch nach Einschätzung der Bundesvertretung nicht der vorbehaltslosen Verwirklichung des in den Entwurfserläuterungen angeführten Zieles einer wirksamen und gezielteren Verfolgung und Sanktionierung von Korruption geeignet erscheint. Auslegungsschwierigkeiten der Tatbestandselemente „mit Wahrscheinlichkeit absehbar“ und „im übrigen inhaltlich bestimmte Amtshandlung“ in der praktischen Rechtsanwendung sind zu erwarten. Ein – rechtspolitisch unerwünschtes - für den „Fall der Fälle“ vorsorgliches „Anfüttern“, dessen „Erfolg“ für sich alleine schon über das künftige – derzeit noch nicht näher konkretisierte – korruptive Herantreten an einen Amtsträger entscheiden kann, würde durch die in Aussicht genommene Regelung generell straffrei gestellt werden.
 Erwähnenswert erscheinen auch jene Bestimmungen (§ 304 Abs 3 letzter Satz, Abs 5; § 307 Abs 3 letzter Satz, Abs 5 StGB), welche die gerichtliche Strafbarkeit der Annahme eines Vorteiles von einem ausdrücklichen dienstrechtlichen Verbot beziehungsweise der billigenden Auskunft des Dienstgebers abhängig machen. Dadurch könnte der Anwendungsbereich des StGB – uU etwa auch durch einen privatrechtlich gestalteten Dienstvertrag - bestimmt werden und die Entscheidung über Straflosigkeit oder Strafbarkeit nicht in die Hände des allein gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG kompetenten Bundesgesetzgebers sondern einer – im Einzelfall agierenden – Einzelperson gelegt werden.
Überdies ist dem vorgeschlagenen Gesetzestext (§ 304 Abs 3 letzter Satz; § 307 Abs 3 letzter Satz StGB) nicht zu entnehmen, ob der Wert des Vorteils iHv 100,-- Euro eine (iSd eines Zusammenrechnungsprinzips) maximale (auch bei wiederholter Vorteilsgewährung geltende) Obergrenze bildet oder eine Schranke bloß für die jeweils einzeln (aber dennoch wiederholt) gewährten Vorteile darstellt.
Auch durch die Nichtaufnahme der (bisher teilweise normierten [§ 304 Abs 4 StGB]) Gewerbsmäßigkeit in § 304 Abs 3 letzter Satz StGB beziehungsweise § 307 Abs 3 letzter Satz StGB kann einer Strafbarkeitslücke in Bezug auf die wiederholte Annahme von – jeweils einen Wert von 100,-- Euro nicht übersteigenden – Vorteilen nicht wirksam begegnet werden.
Ebenso verhält es sich mit der pauschalen (und betraglich unbeschränkten) Herausnahme der Teilnahme an Veranstaltungen im Rahmen von Repräsentations- oder dienstlichen Pflichten beziehungsweise –aufgaben sowie der im redlichen amtlichen oder geschäftlichen  Verkehr sozial adäquaten Verhaltensweisen (§ 304 Abs 4 StGB) aus dem Strafbarkeitsbereich. Ein mit diesen Handlungen verbundenes „Anfüttern“ bleibt – selbst bei mit Wahrscheinlichkeit absehbaren und im übrigen inhaltlich bestimmten Amtshandlungen   (§ 304 Abs 3 erster Satz, § 307 Abs 3 erster Satz StGB) - in jedem Fall straflos (die soziale Adäquanz bezieht sich überdies nur auf den redlichen amtlichen oder geschäftlichen Verkehr, nicht aber auf die Teilnahme an Veranstaltung in Erfüllung von Repräsentations- beziehungsweise Dienstpflichten oder –aufgaben).

3. ad (entfallenden) § 306a StGB:
Durch den in Aussicht genommenen Entfall des § 306a StGB entsteht eine Strafbarkeitslücke hinsichtlich „sachverständiger [externer] Berater“ mangels deren Aufnahme in § 74 StGB (siehe obige Ausführungen zu § 74 StGB).

II. zu den in Aussicht genommenen Änderungen des StPO:

1. ad § 20a StPO:
In § 20a Abs 2 StPO sollte aus sprachlichen Gründen der Wortlaut „im § 20a“ entfallen und durch das bloße Wort „in“ ersetzt werden, da der beabsichtigte Verweis auf       § 20a Abs 1 StPO auch dadurch unzweifelhaft zum Ausdruck kommt.
Weiters wäre aus Gründen der Klarheit zu erwägen, den zweimal verwendeten Worten „Staatsanwaltschaft“ die Wortfolge „KStA beziehungsweise betraute“ voranzustellen, da gemäß § 100a Abs 2 StPO die KStA auch andere Staatsanwaltschaften um die Durchführung von Ermittlungs- und Amtshandlungen ersuchen kann.
Überdies sollte dem in § 20a Abs 2 StPO (erstmals) verwendeten Wort „Dienststelle“ die Wortfolge „der Kriminalpolizei“ nachgesetzt werden um eine einheitliche sprachliche Terminologie mit dem in der Folge verwendeten Begriff der „Dienststellen der Kriminalpolizei“ sicherzustellen.
Allgemein muss der KStA beziehungsweise fallbezogen betrauten Staatsanwaltschaft jedenfalls – in ihrer Eigenschaft als Leiterin des Ermittlungsverfahrens (§ 20 Abs 1 StPO) – uneingeschränkte Wahlfreiheit bezüglich der Betrauung von ihr geeignet erscheinenden Behörden und Dienststellen der Kriminalpolizei zukommen. Dies sollte sprachlich näher präzisiert werden. Eine – abgesehen von den im Entwurf angeführten „wichtigen Gründen“ – bestehende „Exklusivzuständigkeit“ des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung wird dieser staatsanwaltschaftlichen Funktion als Leiterin des Ermittlungsverfahrens nicht gerecht. Es sollte daher erwogen werden, dass Wort „hat“ („… Straftaten hat die …“) durch das Wort „soll“ zu ersetzen.

2. ad § 28a StPO:
§ 28a Abs 1 StPO bringt das in den hiezu in Aussicht genommenen Erläuterungen genannte Bestreben, der KStA nur Verfahren wegen korruptionsrelevanter strafbarer Handlungen iSd § 20a Abs 1 StPO vorzubehalten, andere jedoch – nach Trennung beziehungsweise Einstellung der in § 20a Abs 1 StPO genannten Tatbestände – der zuständigen Staatsanwaltschaft abtreten zu können, sprachlich nicht zum Ausdruck. Ganz im Gegenteil normiert die gewählte Wortfolge derzeit, dass (im Verhältnis zum Korruptionsdelikt) in die Zuständigkeit eines nieder- und/oder gleichrangigen Gerichtes fallende (allgemeine) strafbare Handlungen durch die KStA nicht an eine andere Staatsanwaltschaft abgetreten werden können.
Eine allfällige Formulierung des zweiten Satzes des § 28a Abs 1 StPO könnte wie folgt lauten:
„Die KStA kann jedoch das Verfahren gegen Beschuldigte hinsichtlich jener, nicht in § 20a Abs 1 angeführten, Straftaten, trennen und der zuständigen Staatsanwaltschaft abtreten; gleiches gilt, wenn das Verfahren wegen die Zuständigkeit der KStA begründenden Straftaten (§ 20a Abs 1) beendet wird.“

3. ad § 30 StPO:
Aus grammatikalischen Gründen sollte in Z 3a des § 30 Abs 1 StPO die Wortfolge „das Vergehen“ durch die Wortfolge „des Vergehens“ und in § 30 Abs 1 Z 9a StPO das Wort „die“ durch das Wort „der“ ersetzt werden. Weiters sollte in § 30 Abs 1 Z 9 StPO – infolge eines offenbaren Redaktionsversehens - der Klammerausdruck „§ 207a Abs 3 und 3a 1. Fall StGB“ durch den Klammerausdruck „§ 207a Abs 3 1. Fall und Abs 3a StGB“ ersetzt werden.

4. ad § 36 StPO:
Der in § 36 Abs 2 StPO enthaltene Satzteil „in dessen Sprengel sich die Staatsanwaltschaft befindet, die das Verfahren eingestellt hat“ könnte mangels eigenständigen Bedeutungsgehalts entfallen.

5. ad § 100a StPO:
Die in § 100a Abs 2 StPO gewählte (unbedingte) Wortfolge „ohne Verzug“ könnte mit dem allgemein – auch in nicht KStA-spezifischen Verfahren geltenden - Beschleunigungsgebot (§ 9 StPO) in ein Spannungsverhältnis geraten, da die Ansicht vertreten werden könnte, dass in diesen speziellen Verfahren ein – in dieser Allgemeinheit nicht argumentierbares verstärktes - und somit vor das „allgemeine“ tretende – Beschleunigungsgebot gilt. Auch angesichts der bei den Staatsanwaltschaften angespannten Ressourcensituation sollte die angeführte Wortfolge entweder entfallen (da § 9 StPO ohnedies gilt) oder etwa (der Formulierung in den bezughabenden Erläuterungen folgend) durch das Wort „bestmöglich“ ersetzt werden.

6. ad § 514 Abs 6 StPO:
Zu den am 17.6.2009 in Kraft getretenen Änderungen der Strafprozessordnung durch das Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I Nr. 52/2009 soll mit dem neuen Abs 6 eine Übergangsregelung nachgetragen werden. § 514 Abs 5 StPO in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2009 sieht vor, dass die Bestimmungen der §§ 32 Abs 1 und 3 sowie 41 Abs 1 StPO, die die Verkleinerung des Schöffengerichtes auf einen Berufsrichter zum Gegenstand haben, mit 1.6.2009 in Kraft treten sollen; der Erlass des BMJ vom 17.6.2009 zu den Änderungen unter anderem der StPO durch das Budgetbegleitgesetz geht von einer Wirksamkeit ab 18.6.2009 aus. Daraus folgt, dass die veränderte Senatszusammensetzung für alle auch auf Grund einer vor dem 1.6.2009 eingebrachten Anklage abzuhaltenden Hauptverhandlungen gilt, die nach dem 1.6.2009 (bzw. nach dem Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2009) stattfinden. Die nun vorgeschlagene Regelung des Abs 6 könnte den Umkehrschluss nahe legen, dass dem Verfahren bis zum 1.8.2009 ein weiterer Berufsrichter beigezogen werden muss. Der zur Begründung angeführte Grundsatz der perpetuatio fori bezieht sich begrifflich nur auf die örtliche (§ 213 Abs 5 StPO) und sachliche Zuständigkeit des Schöffengerichts, nicht aber auf die Zusammensetzung desselben (eine andere Ansicht wird im bereits erwähnten Erlass des BMJ zum Budgetbegleitgesetz 2009 vertreten). Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, wird vorgeschlagen, die Regelung des Abs 6 entfallen zu lassen. 


III. zu den in Aussicht genommenen Änderungen des StAG:

1. ad § 2a StAG:
In der Textgegenüberstellung zu § 2a Abs 4 StPO hätte der doppelt angeführte Satz „In den im Gesetz … zu berichten.“ zu entfallen.

2. ad § 5 Abs 4 StPO:
Unter dem Blickwinkel der Qualitätssicherung sollte die bisherige Rechtslage beibehalten werden, insbesondere von einer Absenkung der (ursprünglich sogar zehn Jahre dauernden) „Revisionsfrist“ von fünf auf drei Jahre – bloß aus Einsparungsüberlegungen - Abstand genommen werden.

IV. ad vorzunehmende Ergänzungen im RStDG:

Um die Durchführung und entsprechende Entlohnung von Rufbereitschafts- und Journaldienst auch für die in der Gehaltsstufe St 2 (künftig) ernannten (inhaltlich jedoch erstinstanzlich tätigen) StaatsanwältInnen zu sichern (dzt ist eine solche Entlohnung nur für in der Gehaltsgruppe St 1 ernannte StaatsanwältInnen möglich), wären entsprechende Ergänzungen in § 190 Abs 4 und § 199 Abs 1 RStDG dringend erforderlich.

V. Personelle Probleme:

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen und die bereits wiederholt vorgebrachte Warnung wiederholt, dass die personelle Unterversorgung der Gerichte und Staatsanwaltschaften bereits jetzt dazu führt, dass die Aufgaben der Strafrechtspflege nicht mehr verzögerungsfrei wahrgenommen werden können. Jede zusätzliche Belastung, auch durch Gesetzesänderungen  und Ausweitung bestehender Bestimmungen führt zu einer weiteren Verschlechterung der Situation der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Die im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes beschlossenen Maßnahmen sind von ihren Auswirkungen auf die Belastungssituation nicht  geeignet, den bestehenden  Fehlbedarf von Planstellen im Bereich der Richter und Staatsanwälte auch nur annähernd auszugleichen. Die zusätzlich vorgesehenen Kürzungen in den Jahren 2010 und 2011 laut Stellenplan führen zu einer weiteren Verschärfung der prekären Situation, daran vermögen auch die beschwichtigenden Worte der politisch verantwortlichen Organe nichts zu ändern. Die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte wird gemeinsam mit der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter spätestens im Herbst 2009 Maßnahmen ergreifen, um der Öffentlichkeit und der Bevölkerung deutlich vor Augen zu führen, wie sorglos die Bundesregierung angesichts der dramatischen Entwicklung im Bereich der Kriminalitätssteigerung mit der Justiz verfährt. Vor den negativen Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich durch eine extrem überlastete Gerichtsbarkeit, die auch im Zivilbebereich ihre Aufgaben nicht mehr adäquat erfüllen kann, wird neuerlich ausdrücklich gewarnt.

 
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