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Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter und die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (BV 23) haben zu einem Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz zur Stärkung der strafrechtlichen Kompetenz geändert werden (strafrechtliches Kompetenzpaket – sKp); (BMJ-S578.025/0002-IV 3/2010) folgende Stellungnahme abgegeben:
I. Allgemeines Vorauszuschicken ist, dass der Befund im allgemeinen Teil der Erläuterungen zur Thematik der Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen (Punkt 3.) bezüglich der quantitativen und qualitativen Steigerung derartiger Fälle von den Standesvertretungen geteilt wird. Die vorgeschlagenen legistischen Maßnahmen sind in ihrer Argumentation aber keineswegs zwingend. Sehr begrüßt wird der Umstand, dass ein weiterer Fortbildungsschwerpunkt auf die Bereiche Wirtschaftskriminalität gelegt wird und dass die Politik bereit ist, dafür finanzielle Mittel in die Hand zu nehmen. Qualifizierte Fortbildungskompetenz bedeutet erhebliche Kosten. Diese aber wären gut investiert. Gleiches gilt für Investitionen in qualifizierte Hilfskräfte und Mitarbeiter, denen Aufgaben der Sichtung, Vorerledigung u.s.w. übertragen werden können, zu der es entsprechenden Sachverstandes bedarf. Derartige Wirtschaftskompetenzzentren, die Fortbildung konzentrieren und Pools von Mitarbeitern zur Verfügung stellen, werden ausdrücklich begrüßt. In dieser Hinsicht sind die Vorhaben der Bundesministerin als die Zeichen der Zeit erkennend zu loben und zu unterstützen. Keinesfalls gilt dies aber für eine Zuständigkeitskonzentration bei einzelnen Staatsanwaltschaften oder gar bei einzelnen (Schwerpunkt-)gerichten. Die Standesvertretungen sprechen sich nicht nur ganz entschieden gegen diesen Teil des Gesetzesvorschlags aus, sondern warnen eindringlich davor, dass damit die positiven Teile geradezu konterkariert werden, da dadurch keinesfalls - wie behauptet - Rationalisierungseffekte eintreten, sondern viel mehr Sand ins Getriebe geschüttet wird. Wie im folgenden noch näher ausgeführt werden wird, sind einerseits die zwangsläufig damit verbundenen Zuständigkeitsprobleme, Doppelgleisigkeiten und dadurch bedingte Verzögerungen ein großer Störfaktor für zielgerichtete klar strukturierte Verfahrensführung, andererseits ist die Durchführung derartiger Verfahren an nur wenigen Standorten für alle Verfahrensbeteiligten eine zeit- und kostenmäßige Erschwerung des Zugangs zum Recht. Auch zeigen die Erfahrungen nicht nur der jüngsten Vergangenheit, welche langandauernden Störfaktoren so grundlegende Zuständigkeitsverschiebungen darstellen. Derzeit ist auf die unzähligen materiell- und formellrechtlichen, aber auch organisatorisch tiefgreifenden Gesetzesänderungen im Bereich des Strafrechts seit dem Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes zu verweisen, insbesondere das Budgetbegleitgesetz 2009 und das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz, wodurch nach völliger Neugestaltung des Ermittlungsverfahrens innerhalb von nicht mehr als drei Jahren weitere tiefgreifende organisatorische Umstellungen (zB Änderung der Zusammensetzung des Schöffengerichts, Schaffung einer Korruptionstaatsanwaltschaft ect) vorgenommen wurden. Durch die Überlagerung mehrerer Reformprozesse entsteht bis zur Abklärung offener Auslegungsfragen der oft unter hohem Zeitdruck entwickelten Regelungen in der Praxis bis zur letztlich erfolgten Klärung durch die Rechtsprechung ein hoher Unsicherheitsfaktor. Zu einer Verfestigung all dieser Reformen bedarf es jedenfalls noch eines mehrjährigen Zeitraums. Verschärft wird diese Problematik durch einen von einem unabhängigen international führenden Wirtschaftsberatungsunternehmen in einer Studie („Personalanforderungsrechnung II“ Bericht 2010) nachgewiesenen jahrelangen eklatanten Fehlbedarf an staatsanwaltschaftlichen und richterlichen Entscheidungsorganen und durch die Personalentwicklung bei den Staatsanwaltschaften nach der Reform im Jahre 2008, wo im Rahmen der Aufstockung überwiegend Berufseinsteiger tätig wurden. In einer derartigen Situation erscheint eine weitere tiefgreifende organisatorische Maßnahme in Form von einzelnen Wirtschaftskompetenzzentren bei Staatsanwaltschaften und Gerichten keinesfalls geeignet, die beschriebenen Problemstellungen zu lösen, sondern werden diese nur verlagert und damit im Ergebnis sogar verschärft. II. Die Standesvertretungen schlagen daher vor: Stärkung der wirtschaftlichen Kompetenz ja – Konzentration nein! Eine intensivierte Ausbildung von justiziellen Entscheidungsorganen (auf freiwilliger Basis) in wirtschaftlichen Belangen (die keineswegs von universitären Einrichtungen, sondern vom Justizressort zu gestalten ist!) wird ausdrücklich begrüßt. Hervoragend bewährt hat sich etwa das modulartig aufgebaute Fortbildungsprojekt im Bereich des OStA-Sprengels Linz. Offenbar besteht jedoch in der breiten Öffentlichkeit ein gewisses Missverständnis über die Rolle von Richter und Staatsanwalt, das sich teilweise in den Entwurf eingeschlichen hat. Richtern und Staatsanwälten ist die juristische Aufarbeitung der an sie herangetragenen Sachverhalte anvertraut. Bei der Durchforstung von Sachverhalten nach strafrechtlich relevanten Tatsbestandselementen bedarf es bei komplexeren Fällen zwingend der Hilfe von Sachverständigen oder zumindest von fachkundigem Hilfspersonal. Die Entscheidungsorgane haben in erster Linie juristische Entscheidungskompetenz aufzuweisen. Die im Rahmen des Ermittlungs- und Hauptverfahrens immer wieder gegebenen hochkomplexen Sachverhalte werden nur mit Hilfe wissenschaftlicher Expertisen aus Spezialgebieten aufbereitet werden können, letztlich aber anhand der geltenden Gesetze und der relevanten Judikatur bewertet werden müssen. Daraus folgt zwingend, dass ausschlaggebend für eine erfolgreiche Bearbeitung quantitativ und qualitativ höchstkomplexer Verfahren nicht eine Konzentration an gewissen Standorten, sondern der im Einzelfall massiv verstärkte Einsatz von personellen und sachlichen Ressourcen erforderlich ist. So wie bei der Einführung eines speziellen Softwareprogramms sowohl die Sachkunde eines Kenners der jeweiligen Materie, als auch das Know-how des Programmierers vorhanden sein müssen, bedarf es im Wirtschaftsstrafrecht des optimalen Zusammenspiels des juristisch geschulten Ermittlungsleiters (der tatbestandsmäßig denkend die Vorgaben liefert) und der speziellen sachkundigen Unterstützung durch Fachkräfte bis hin zum Kanzlei- und Hilfspersonal zur weitestgehenden Entlastung (Vorbereitung) von manipulativen und organisatorischen Maßnahmen. Diese Vorgaben sind essentielle Komponenten, die aber im Bedarfsfalle bei jeder Staatsanwaltschaft und jedem Landesgericht geschaffen werden müssen! Diesbezüglich könnte auch der Einsatz „fachkundiger Laienrichter“ in den hier angedachten Schöffenverfahren (ähnlich zu den dzt. ASG-Verfahren) verstärkte Fachkompetenz mit sich bringen. Auf den verfassungsrechtlich bedenklichen Ausschluss von Laienrichtern (Schöffen) aus jenen Bundesländern, in denen keine Wirtschaftskompetenzzentren bestehen würden, wird hingewiesen. Ausdrücklich gewarnt wird in diesem Zusammenhang vor der Schaffung von Staatsanwaltschaften und Gerichten zweiter Klasse („Inkompetenzzentren“)! Eine Spezialisierung von Wirtschaftstrafsachen in einzelnen Gerichtsabteilungen der jeweiligen Landesgerichte (ähnlich der bereits jetzt nach dem § 32 Abs 5 und 6 Gerichtsorganisationsgesetz bestehenden Verpflichtung zur Zuweisung von Jugendstrafsachen an besonders geschulte und erfahrene Entscheidungsorgane oder auch in Sittlichkeitsdelikten) wäre denkbar und würde den angestrebten Reformzielen besser entsprechen. Als ein Beispiel für viele, wie durch die unnötige Schaffung von Gerichten unterschiedlicher Zuständigkeiten Verfahrenserschwernisse durch Doppelgleisigkeiten entstehen werden, sei folgendes angeführt: Da nicht vorhergesehen werden kann, ob das Verfahren tatsächlich an ein Gericht mit einem Wirtschaftskompetenzzentrum delegiert werden wird, muss sich das angerufene Gericht – zumal in immer dringenden Haftsachen - jedenfalls mit dem Verfahren befassen, was zu einer „Doppelgeleisigkeit“ und damit zu einem frustrierten Aufwand führen wird. Zwangsläufig würde sich bei der angestrebten Konzentration von Wirtschaftstrafsachen an bestimmten Standorten ein Rekrutierungsproblem ergeben, das zwingend zu einer Diskussion über eine besoldungs- oder dienstrechtliche Sonderstellung dieser Organe und damit zu einer Differenzierung innerhalb der Berufsstände führen würde. In jedem Fall wäre aber – um solche Rekrutierungsprobleme zu vermeiden und bei hochkomplexen Verfahren eine möglichst durchgehende Fallbearbeitung der oftmals lange Zeiträume in Anspruch nehmenden Ermittlungsverfahren durch dieselben SachbearbeiterInnen zu sichern – zu überlegen, wie den (im WKZ ausschließlich) mit diesen komplexen und oftmals im Rampenlicht medialer Aufmerksamkeit stehenden Ermittlungsverfahren befassten KollegInnen ein (auch finanzieller) Anreiz geboten werden könnte. Die justiziellen Behörden haben in der jüngeren Vergangenheit (zahlreiche Strafprozesse betreffend Korruptionsfälle im Straßenbau, Fall Magdalen, WEB, Konsum, BAWAG, zuletzt Fall „Auer von Welsbach“ uva) laufend bewiesen, dass sie - ohne „Spezialausbildung“ oder Einrichtung von “Wirtschaftskompetenzzentren“ - durchaus in der Lage waren und sind – auch unter schwierigsten personellen Voraussetzungen – ihre Aufgaben zu bewältigen. Weshalb Finanzstrafdelikte, die bislang erkennbar ohne besondere Beanstandungen durch Generalprokuratur und OGH von den Landesgerichten bearbeitet wurden, einer solchen Konzentration zugeführt werden sollen, ist nicht einsichtig. Zu beachten ist weiters, dass gerade in „clamorösen“ Fällen in den verschiedenen Bundesländern sich die Unabhängigkeit der Justiz bewährt hat. Gerade hier konnte und kann gezeigt werden, dass die Verantwortlichen der Justiz eben nicht den involvierten Beschuldigten oder Organisationen nahe stehen und eine Aufarbeitung von strafrechtlich bedenklichen Fällen im Lande möglich ist (siehe die oben erwähnten Beispiele). III. Zusätzliche Aufgaben ohne Synergieeffekte Die geplanten legistischen Maßnahmen zur Schaffung von Wirtschaftskompetenzzentren würden im Ergebnis den Staatsanwaltschaften und der Generalprokuratur - wie im folgenden noch zu zeigen sein wird - weitere Aufgaben zuweisen, welche einen nicht unbeträchtlichen personellen Mehrbedarf nach sich ziehen. Von einer – wie im Vorblatt des Entwurfes ausgeführten – Entlastung der übrigen Staatsanwaltschaften (insbesondere kleinerer Einheiten) und Gerichte durch Übernahme von Wirtschaftsverfahren durch Wirtschaftskompetenzzentren kann nur dann ausgegangen werden, wenn durch zusätzliche Planstellen die Verschiebung von Personalkapazitäten (wie sie jedoch lt. den Ausführungen im besonderen Teil beabsichtigt ist) dieser Staatsanwaltschaften und Gerichte zu den betreffenden Wirtschaftskompetenzzentren vermieden werden kann; sonst „wandert“ der bisherige Sachbearbeiter samt Akt bloß zur neuen Organisationseinheit „Wirtschaftskompetenzzentrum“. Eine nachhaltige und spürbare, mittel- und langfristig wirksame Entlastung wird durch die „bloße“ Konzentration allein nicht eintreten. Die allgemein erwünschte Beschleunigung und Effizienzsteigerung (auch durch verstärkte Bildung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsteams) wird nicht allein durch eine „verstärkte Konzentration“ erzielt werden können; dafür ist zwingend (will man nicht Einbußen bei den übrigen Behörden in Kauf nehmen) auch mehr Personal bei Gerichten und Staatsanwaltschaften erforderlich. Welche ebenfalls im Vorblatt erwähnten „Rationalisierungen der Arbeitsabläufe“ konkret die für die Steigerung der Transparenz der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit erforderlichen zusätzlichen Kapazitäten schaffen sollen, ist nicht ersichtlich. Zusammenfassend wird daher die Schaffung von Wirtschaftskompetenzzentren - soweit sie Zuständigkeitskonzentrationen betreffen - sowohl bei Staatsanwaltschaften und bei Gerichten wegen der insgesamt damit notwendig verbundenen negativen Begleiterscheinungen, denen kaum positive Effekte gegenüber stehen, abgelehnt. IV. Zu den einzelnen Regelungen: Grundsätzlich ist zu überlegen, ob die (im Ergebnis richtigen) angestrebten Neuregelungen des Verfalls, des Wertersatzverfalls und der Einziehung nicht zu weit gehen und jedenfalls eine Bagatellgrenze einzuführen ist, wenn der für verfallen zu erklärende Vermögenswert außer Verhältnis zum Verfahrensaufwand steht. Insofern wäre der Begriff des „Surrogats“ in § 20 Abs 2 StGB des Entwurfs zu präzisieren. Jedenfalls ist damit aber ein erhöhter Verfahrensaufwand sowohl im Ermittlungs-, wie auch Haupt- und Rechtsmittelverfahren verbunden, der durch Bewertung der PAR II-Systempflegekommission eingeschätzt werden und für den rechtzeitig Vorsorge getroffen werden sollte. 1. § 20a ff StGB In § 20a Abs 1 Z 3 StGB ist infolge eines offenkundigen Schreibfehlers das Wort „rechtlicher“ durch das Wort „rechtliche“ zu ersetzen. Hinsichtlich der Neuregelung des Verfalls, des Wertersatzverfalls und der Einziehung wäre vorteilhaft, den Begriff des „Surrogats“ (§ 20 Abs 2 des Entwurfs) im Sinne § 165 Abs 4 letzter Fall StGB zu definieren. Der Verfall sollte auch dann unterbleiben (§ 20a Abs 2 des Entwurfs), wenn der verfallen zu erklärende Vermögenswert außer Verhältnis zum Verfahrensaufwand steht. Damit wären Bagatellfälle auszuscheiden, sodass auch kein Bedarf an einer darüber hinausgehenden „Härteklausel“ besteht. 2. § 26 StGB § 26 Abs1 Z 2 StGB bedeutet, dass etwa auch ein dem Täter „gehörendes bzw. zustehendes“ Schlepperfahrzeug (welches nicht speziell präpariert wurde;dies würde unter § 26 Abs 1 Z 1 StGB fallen) zwingend einzuziehen wäre. Dies wird aus präventiven Gesichtspunkten begrüßt. 3. § 23 Abs 1a StPO: Die beabsichtigte Ausweitung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes iSd § 23 Abs 1 StGB auf staatsanwaltschaftlichen Anordnungen über Zwangsmaßnahmen (Zwangsmittel) im Ermittlungsverfahren und Entscheidungen der Staatsanwaltschaften über die Beendigung dieser Ermittlungsverfahren stellt – auch wenn die entsprechende Anregung an die Generalprokuratur nur über den Rechtsschutzbeauftragten erfolgen können soll – eine beträchtliche Ausweitung der Aufgaben und Mehrbelastung der Generalprokuratur dar. Durch die dadurch bedingte zwingende inhaltliche Prüfung dieser Anregungen, ob seitens der Generalprokuratur Anlass zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes besteht, würde nicht nur für den Rechtsschutzbeauftragten, sondern auch für die Generalprokuratur eine massive Aufgabenerweiterung entstehen.Eine Bewältigung dieser Aufgaben erscheint – auch unter Berücksichtigung des seit 1.1.2008 um rund ein Drittel (bei gleichem Personalstand) gestiegenen Anfalls und der lt. dem aktuellen Personalplan erfolgten Zuweisung einer beziehungsweise allenfalls einer weiteren Planstelle – ausgeschlossen. Jedenfalls sollte eine entsprechende Anregung (schon gegenüber dem Rechtsschutzbeauftragten) unzulässig sein, wenn die zur Einbringung von Rechtsbehelfen (inklusive der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gemäß § 23 Abs 1 StGB selbst) Berechtigten, einen solchen Rechtsbehelf während des Ermittlungsverfahrens – trotz grundsätzlicher Möglichkeit hiezu – „vorwerfbar“ nicht eingebracht haben. Andernfalls könnten so „verfristete“ Rechtsbehelfe im Wege der „Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes-neu“ sozusagen saniert werden und wäre dadurch nicht nur ein paralleler (unbefristeter) Rechtszug, sondern auch ein (vermeidbarer) Mehraufwand für den Rechtschutzbeauftragten verbunden. Eine Anregung an und durch den Rechtschutzbeauftragten auf Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sollte nur dann zulässig sein, wenn gegen behauptete gesetzwidrige staatsanwaltschaftliche Anordnung oder Einstellungserklärung durch den Berechtigten ein Rechtsbehelf nicht hätte eingebracht werden können oder ein hiezu Berechtigter nicht ermittelt werden konnte. In diesem Sinn sollte auch die Anregung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes beim Rechtschutzbeauftragten dann unzulässig sein, wenn das betreffende staatsanwaltschaftliche Zwangsmittel zuvor gerichtlich bewilligt wurde und gegen diese gerichtliche Bewilligung „vorwerfbar“ kein Rechtsbehelf erhoben wurde. Strafgerichtliche Entscheidungen wie etwa gerichtliche Bewilligungen staatsanwaltschaftlicher (in Aussicht genommener) Anordnungen unterliegen überdies ohnehin dem § 23 Abs 1 StPO. Um vermeidbare Anregungen solcher Nichtigkeitsbeschwerden durch den Rechtschutzbeauftragten zu vermeiden, könnte aus Gründen der Klarheit eine taxative Aufzählung der bekämpfbaren Anordnungen (Zwangsmittel/Zwangsmaßnahmen) aufgenommen werden. Jedenfalls könnte aber bei Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen staatsanwaltschaftliche Einstellungserklärungen bloß eine Feststellung der allfälligen Rechtsverletzung durch den Obersten Gerichtshof erfolgen, da eine den Beschuldigten benachteiligende meritorische Entscheidung (durch Verbindung der oberstgerichtlichen Entscheidung mit „konkreter Wirkung“) nicht getroffen werden kann (Ratz WK-StPO § 292 Rz 43). Gegenständliche – grundsätzlich begrüßenswerte – Rechtsschutzerweiterung kann jedenfalls nur bei entsprechender personeller Dotierung der Generalprokuratur zu zeitnahen Entscheidungen führen und damit von Erfolg gekrönt sein. Im Übrigen erscheint derzeit unklar, wie sich während eines laufenden Ermittlungsverfahrens eingebrachte Anregungen auf Prüfung einzelner staatsanwaltschaftlicher Anordnungen auf den Fortgang des Ermittlungsverfahrens auswirken. Die Gefahr von Verzögerungen oder gar einer intendierten Verschleppung besteht. 4. § 28b StPO In § 28b Abs 1 erster Satz StPO ist das Wort „... zu ...“ („zu übertragen“) einzufügen. 5. § 194 StPO Die Verständigung auch des Anzeigers, welchem die Opfereigenschaft nicht zukommt, stellt wieder – entgegen der Intention des letzten Budgetbegleitgesetzes - einen Mehraufwand hinsichtlich der Verständigungspflichten dar. Überdies besteht – wie die Erläuterungen im besonderen Teil zutreffend ausführen - die Gefahr des politisch bzw. medial motivierten Missbrauchs von Anzeigen, wenn an sich nicht Verfahrensbeteiligte und auch nicht Akteineinsichtsberechtigte Einstellungsverständigungen zu Ermittlungsverfahren erhalten, die sie nicht betreffen. Das gemäß § 194 Abs 3 StPO iVm § 34 Abs 2 StAG iVm 35 Abs 5 StAG beabsichtigte Einsichtsrecht des Fortführungsberechtigten in die Begründung der Einstellung im Tagebuch ist zur Erhöhung der Transparenz staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen grundsätzlich zu begrüßen. Diese Maßnahme bedingt jedoch einen erheblichen personellen Mehrbedarf, da der hohe Aufwand einer für den Fortführungsberechtigten (in der Regel das „juristisch nicht fachkundige“ Opfer) nach außen hin – oftmals detailreich - „ausformulierten“ Einstellungsbegründung (im Gegensatz zur internen Ersichtlichmachung dieser Einstellungserwägungen in gedrängter Form) nunmehr in allen Einstellungsfällen entsteht und sich künftig nicht nur auf jene Fälle beschränkt, in welchen infolge erhobenen Fortführungsantrages die Staatsanwaltschaft gemäß § 195 Abs 3 StPO eine (entsprechend ausformulierte) Stellungnahme erstattet. Auch kann erfahrungsgemäß den Ausführungen im besonderen Teil des Entwurfes, wonach potentielle Fortführungswerber durch frühzeitige Einsichtnahme in eine (für sie persönlich hinreichend überzeugende) Einstellungsbegründung letztlich von der Einbringung eines Fortführungsantrages (zwecks Erlangung der Einstellungserwägungen bzw. aus „Vorsichtsgründen“) abgehalten werden würden, nicht gefolgt werden, da regelmäßig diese Fortführungswerber von der Berechtigung ihrer Anliegen persönlich tief überzeugt sind und jedenfalls die (überdies unverändert kostenlose) Möglichkeit einer Überprüfung durch das unabhängige Gericht in Form eines 3-Richter-Senates in Anspruch nehmen werden. Überdies werden diese Fortführungswerber naturgemäß die ihnen im Rahmen der Akteneinsicht zur Kenntnis gelangten Einstellungserwägungen gezielt zu bekämpfen versuchen, worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer (beibehaltenen) Stellungnahme gemäß § 195 Abs 3 StPO einzugehen hätte. Dieser – infolge erhöhter Rechtsrichtigkeitsgewähr zu begrüßende, jedoch zur derzeitigen Rechtslage erhöhte – Begründungsaufwand, bedingt zwingend auch einen erhöhten Personalbedarf. Selbst bei Entfall der zwingenden Stellungnahme gemäß § 195 Abs 3 StPO und Vorlage des Ermittlungsaktes samt Einstellungsbegründung an das Gericht, verbliebe ein Mehraufwand, da diesfalls – wie oben ausgeführt – in allen Fällen (und nicht bloß in jenen [zahlenmäßig geringeren] Fällen, zu welchen ein Fortführungsantrag erhoben wurde) eine entsprechend ausformulierte Einstellungsbegründung verfasst werden müsste. Im Übrigen bezieht sich die parteipolitische und mediale Kritik durch behaupteten „vorauseilenden Gehorsam“ beziehungsweise „unsachliche Beeinflussung“ auf zahlenmäßig überschaubare Ermittlungsverfahren von „öffentlichem Interesse“, nicht jedoch auch auf die überwiegende Zahl der sonstigen Ermittlungsverfahren. Überdies scheint eine Entkräftung dieser Vorwürfe durch eine (gegenüber der derzeitigen Stellungnahme gemäß § 195 Abs 3 StPO) zeitlich frühere „Offenlegung“ der detaillierten Einstellungserwägungen nur bedingt möglich. Dass die Vorschläge zur Anhebung der Transparenz der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit im Ermittlungsverfahren keinen nennenswerten (in VZK zu bemessenden) Mehraufwand verursachen, weil durch die bereits jetzt gemäß § 34 Abs 2 StAG de lege lata angeordnete Begründungspflicht keine zusätzliche Arbeit zu leisten sei, sondern die ohnehin vorhandenen Überlegungen „bloß“ zu formulieren sein werden, kann somit nicht geteilt werden und ist vollkommen praxisfremd. Zur Klarstellung könnte im besonderen Teil zu § 194 StPO erwogen werden, explizit aufzunehmen, dass der Rechtsschutzbeauftragte gemäß § 195 Abs 1a StPO nur in den gemäß § 8 Abs 1 StAG berichtspflichtigen Fällen, die (derzeit) von der Korruptionsstaatsanwaltschaft oder einem Wirtschaftskompetenzzentrum geführt wurden, von der Einstellung zu verständigen ist. Letztlich bleibt zu überlegen, ob die Einschränkung des § 194 Abs 2 StPO (Begründung von Einstellungen nur bei Delikten, die in die Zuständigkeit des Landesgerichts fallen) im Opferinteresse tatsächlich sachgerecht ist. 6. § 195 Abs 1a StPO Dass der Rechtsschutzbeauftragte nur berechtigt sein soll, in Ermittlungsverfahren, die von der Korruptionsstaatsanwaltschaft oder einem Wirtschaftskompetenzzentrum geführt wurden und an denen wegen der Bedeutung der Straftat oder der Person des Beschuldigten ein besonderes öffentliches Interesse besteht, oder in denen noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung beurteilt wurden, einen Fortführungsantrag zu stellen, ihm dies jedoch in anderen Verfahren, für welche das Landesgericht zuständig wäre, verwehrt sein soll, wird unter dem Gesichtspunkt knapper Ressourcen befürwortet. Damit im Widerspruch steht jedoch, dass der Rechtsschutzbeauftragte gemäß § 195 Abs 1a Z 2 StPO in allen „opferlosen“ Ermittlungsverfahren, in denen das Landesgericht zuständig wäre, einen Fortführungsantrag stellen kann. Die bezughabenden Ausführungen im besonderen Teil weisen bloß auf die „§ 8 Abs 1 StAG-Eigenschaft“, nicht jedoch auch darauf hin, dass dies nur KStA- und WKZ-Verfahren betreffen soll. Allenfalls sollte diese Beschränkung auf die genannten Verfahren im besonderen Teil klargestellt werden. Weiters entscheidet die Bestimmung der Zuständigkeit durch die Oberstaatsanwaltschaft bzw die Delegierung durch das Oberlandesgericht eines Verfahrens an ein Wirtschaftskompetenzzentrum auch darüber, ob der Rechtschutzbeauftragte jedenfalls fortführungsberechtigt ist (ungeachtet der Tatsache, ob das tatsächlich geführte Ermittlungsverfahren allenfalls seinem Inhalt nach ein WKZ-Verfahren wäre). Überdies wäre seitens der einstellenden Staatsanwaltschaft (KStA, WKZ) zwecks Prüfung einer Verständigungsverpflichtung des Rechtschutzbeauftragten von der Einstellung eine Einschätzung dahingehend vorzunehmen, ob der Rechtschutzbeauftragte gemäß § 195 Abs 1a StPO fortführungsberechtigt ist, andernfalls undifferenziert stets eine Verständigung des Rechtschutzbeauftragten von erfolgten Einstellungen zu erfolgen hätte. Vielmehr könnte ein solches Fortführungsrecht des Rechtschutzbeauftragten nur in all jenen Fällen ins Auge gefasst werden, wo – wie vom Entwurf offenbar beabsichtigt – kein Opfer ermittelt werden konnte. 7. § 209a StPO Grundsätzlich sind Absprachen mit Rechtsbrechern über Straffreiheit im Falle ihrer Mitwirkung bei der Aufklärung von Straftaten als rechtsstaatlich bedenklich einzustufen. Aus diesem Grunde hat sich der österreichische Gesetzgeber bislang auch nur zu einer sogenannten „Kleinen Kronzeugenregelung“ (siehe § 41 a StGB) durchgerungen. Nunmehr wird unter anderem mit positiven Erfahrungen aus dem Kartellstrafrecht und mit der Notwendigkeit insbesondere zur effizienten Korruptionsbekämpfung argumentiert. Bei beiden Bereichen handelt es sich um spezielle Delikts- und Tätertypen. Es liegt in der Verantwortung der Politik, in welchen Fällen von dem eben erwähnten Grundsatz abgegangen werden soll. Die Verantwortung für den Rechtsstaat erfordert aber nach Ansicht der Standesvertretungen jedenfalls bei jedem einzelnen Deliktstyp abzuwägen, inwieweit rechtsstaatliche Bedenken hintangestellt werden sollen. Der vorgeschlagene allgemeine Anwendungsbereich widerspricht diesen Prüfungserfordernissen. Hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen der „Kronzeugenregelung“ sollten auch die Ausführungen im besonderen Teil der neuen in § 209a Abs 1 Z 3 StPO angeführten Terminologie („Verfall [§ 20 StGB]“ und „erweiterter Verfall [§ 20b StGB]“) angepasst werden. 8. § 35 Abs 5 StAG Siehe die Ausführungen zu § 194 StPO. 9. § 35a StAG Hinsichtlich einer allfälligen Veröffentlichung von Entscheidungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft sollte – unter Berücksichtigung der besonderen Stellung der Korruptionsstaatsanwaltschaft, welche etwa gemäß § 20a Abs 1 StPO u.a. auch die Vertretung der Anklage vor den Oberlandesgerichten zusteht, im staatsanwaltschaftlichen Behördenaufbau – erwogen werden, dass die Veröffentlichung durch die Korruptionsstaatsanwaltschaft zu veranlassen ist. Auf die offenkundigen Schreibfehler im besonderen Teil zu Z 14 (§ 209a StPO [Anreize]) und zu Z 2 (§ 35 Abs 5 StAG [Bild]) darf der Vollständigkeit halber hingewiesen werden. Unklar bleibt schließlich, warum Übergangsbestimmungen fehlen. V. Zusammenfassung: Begrüßt wird die Stärkung der wirtschaftlichen Kompetenz durch: * weiter verstärkte Fortbildungsangebote, wofür auch ein Fortbildungszentrum geschaffen werden könnte. * Pool von kompetentem Hilfspersonal * Schöffengericht in komplexen (wirtschafts-) Sachen, allenfalls mit zwei Berufsrichtern und zwei sachkundigen Laienrichtern * Aufstockung der personellen und materiellen Ressourcen
Abgelehnt wird die Konzentration von Zuständigkeiten an einzelnen Standorten, weil dadurch das angestrebte Ziel einer Verbesserung der Verfolgung von (komplexer) Wirtschaftskriminalität nicht erreicht, sondern eher sogar erschwert würde. |