Agieren statt Reagieren - Die Neuausrichtung der justiziellen Medienarbeitvon Martin Ulrich
Die Wahrnehmung der Justiz, zuletzt insbesondere der Staatsanwaltschaften, in der Öffentlichkeit ist zuletzt wohl unbestritten beinahe ausschließlich durch die mediale Berichterstattung gezeichnet. Dabei hat der interessierte Medienkonsument mangels eigener Verfahrensinvolvierung Berichtetes mehr oder weniger für wahr zu halten. Die Verantwortung der Medien ist groß, sehr groß. Möglich, dass dabei einige Medien(vertreter) den Verlockungen hoher Auflagen erliegen und wiederholt Faktisches mit persönlichen Wertungen derart verweben, dass zwischen Beiden klare Trennlinien kaum noch sichtbar bleiben. Ob manche von ihnen dadurch dem Bild einer angeblich skandalgeschüttelten Justiz gegenüber der Langweiligkeit gut funktionierender Strafverfolgungsbehörden gerne den Vorzug geben, kann an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Dennoch bleibt zu klären, was die Justiz selbst an ihrer aktuellen Kommunikation verbessern kann. Die Ursachen für die in der medialen Öffentlichkeit oftmals empfundene Passivität der Justiz liegen einerseits in wohlbegründeten rechtlichen Vorgaben sowie andererseits in strukturellen Defiziten. Dadurch gelingt es den Medien leicht, die Themenführerschaft in der justizspezifischen Berichterstattung zu übernehmen. Sie sind es, die durch ihre Anfragen agieren und dadurch Zeitpunkt und Gegenstand justizspezifischer Berichterstattung bestimmen. Der zweite Schritt – das Antworten und somit das bloße Reagieren – bleibt dabei der Justiz vorbehalten. Doch wie kann der Weg zu einer besseren – wie es zuletzt oft gefordert wird „aktiven“ – Medienpolitik aussehen? Einer in diesem Zusammenhang zuletzt mehrfach diskutierten allfälligen Lockerung der bestehenden rechtlichen Vorgaben, wie insbesondere des Amtsgeheimnisses, sollte zunächst große Zurückhaltung entgegengebracht werden; groß ist die Gefahr, Verfahrensbeteiligte noch stärker in das Blickfeld der Öffentlichkeit zu zerren, Medien mittelbaren Einfluss auf die Führung von Verfahren zu gewähren und dadurch eine unbeeinflusste Verfahrensführung zu erschweren. JournalistInnen sollten sich – wie dies etwa unlängst von einem ehemaligen Justizminister zum Ausdruck gebracht wurde – nicht als die besseren Staatsanwälte fühlen. In struktureller Hinsicht bedarf eine professionelle Medienarbeit bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten in erster Linie ausreichender Personalressourcen. Insbesondere bei Dienststellen mit hoher Zahl an Medienanfragen kann diese Tätigkeit nicht „nebenbei“ wahrgenommen werden; eine aktive Medienpolitik – etwa durch das regelmäßige Verfassen von Presseaussendungen oder gar Führen von periodischen Hintergrundgesprächen mit JournalistInnen – ist schon in zeitlicher Hinsicht derzeit gänzlich unmöglich. Was bleibt, ist bloß ein Reagieren auf Medienanfragen. In diesem Zusammenhang sollte das oftmals auch außerhalb der Amtsstunden bestehende Informationsbedürfnis der Medien sowie das Erfordernis der Justiz ebenso in dieser Zeit rasch reagieren zu können, durch Einrichtung einer „Medien-Rufbereitschaft“ nach dem Vorbild des „Journaldienstes“ in Strafsachen bei ausgewählten Dienststellen eine sachgerechte Regelung erfahren. Schließlich bedarf der aktuelle Medienerlass in Teilbereichen einer Neugestaltung und Anpassung an die aktuellen Bedürfnisse. Überdies wäre eine Trennung zwischen der einzelfallbezogenen Medienarbeit und jener zur generellen Darstellung justizspezifischer Leistungen erforderlich. Dabei trägt die verfahrensbezogene Berichterstattung selbstverständlich auch zur gesamten „Imagepflege“ bei. Groß ist bei einer mangelnden hinreichenden Trennung aber auch die Gefahr, sich dem unberechtigten Vorwurf einer gefälligen Selbstdarstellung durch behauptete medialpolitisch motivierte Ermittlungs- beziehungsweise sonstige Verfahrensschritte auszusetzen. Die Darstellung des behaupteten zufälligen zeitlichen Zusammenfallens von konkreten Ermittlungsschritten und medialpolitischen Maßnahmen zur angestrebten Stärkung des Vertrauens in die Justiz bereitet (wie die jüngste Diskussion zur verstärkten Ausübung des ministeriellen Weisungsrechts gegenüber den Staatsanwaltschaften zeigt) zu Recht große Schwierigkeiten. Das Justizministerium arbeitet bereits an einem Konzept für eine Neuausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit der Justiz und Etablierung einer Ressortmediensprecherin. Befremdlich (jedenfalls kommunikationstechnisch unglücklich) in diesem Zusammenhang ist, dass Medienvertreter bereits Anfang April 2011 seitens des Bundesministeriums für Justiz zu einem Erfahrungsaustausch eingeladen wurden; eine Einladung an die gegen diese Vorgehensweise protestierenden Standesvertretungen als Vertreterinnen der hauptbetroffenen StaatsanwältInnen und RichterInnen zu einer entsprechenden Informationsveranstaltung hingegen erst für Ende April 2011 erging. In jedem Fall ist jedoch eine gute Medienarbeit allein kein Allheilmittel. Der beste Garant für hohes Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit ist vielmehr die Qualität richterlicher und staatsanwaltschaftlicher Arbeit. Der Versuch, diese Arbeit für politische Zwecke zu vereinnahmen, schadet der Justiz sowie der Politik gleichermaßen. Die Standesvertretungen stehen bei der Lösung dieser anspruchsvollen Aufgabe mit ihrer Expertise uneingeschränkt zur Verfügung. Sie müssen hiezu jedoch rechtzeitig und nicht erst allenfalls kurz vor Präsentation eines bereits erarbeiteten Konzeptes gehört und in die Diskussion eingebunden werden! |