Kontinuität versus politische Kurzlebigkeitvon Klaus Schröder
Das Jahr 2011 brachte sowohl in der politischen Leitung des Bundesministeriums als auch in der gewerkschaftlichen Standesvertretung Veränderungen. Waren für die Neubestellung der Landesleitungen und der Bundesführung in der Sektion Richter und Staatsanwälte demokratische und nach der Geschäftsordnung vorgesehene Wahlen die Grundlage, so folgte die Neubesetzung der Ressortleitung einem politischen Zweckmäßigkeitskalkül. Die bisherige Justizministerin hatte aufgrund ihres eigenen Verhaltens und wohl auch geleitet von fragwürdigen Beratern ohne tatsächlich inhaltliche schwere Fehler begangen zu haben, ihre politische Glaubwürdigkeit und das Wohlwollen der Medien verloren. Auch das Vertrauensverhältnis zu den RichterInnen und StaatsanwältInnen und zur Standesvertretung war zuletzt erschüttert. Die nicht auf Kontinuität und kaum auf Sachlichkeit, sondern auf Umfragewerte und Wählerstimmen ausgerichtete politische Arbeit macht Politiker beliebig und auch kurzfristig austauschbar. Dies musste Bandion-Ortner nolens volens zur Kenntnis nehmen. Spott und Häme – auch aus dem Kreis der Kollegenschaft – sind jedoch unangebracht und menschlich unnötig verletzend. Seit der letzten Wahl in der gewerkschaftlichen Standesvertretung im Mai 2006 lag die politische Führung unseres Ministeriums in der Hand von fünf Ministern(innen), unterstützt von fünf Kabinettschefs, die sich zunehmend ebenfalls persönlich profilieren wollen und teilweise glauben, die Justiz neu erfinden zu müssen. Sowohl die traditionell äußerst loyalen Mitarbeiter im BMJ als auch die RichterInnen und StaatsanwältInnen (und die Beamten und Vertragsbediensteten vor Ort) sehen sich daher mit einer sehr inkohärenten Ressortleitung konfrontiert. Kurzfristig notwendige parteipolitische und mediale Erfolgserwartungen verdrängen sowohl in Organisationsfragen der Gerichte und Staatsanwaltschaften, als auch bei Gesetzesvorhaben, zunehmend die sachliche Auseinandersetzung und den breiten politischen Konsens. Dass dies auf den Vertrauensindex der Bevölkerung in „DIE JUSTIZ“ Auswirkungen hat, liegt auf der Hand. Es geht also nicht nur darum, das Vertrauen in die unabhängige und gesetzmäßige Arbeit der Gerichte und die parteipolitisch nicht steuerbare Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaften wiederzugewinnen und zu stärken, sondern auch darum, den Bürgerinnen und Bürgern glaubwürdig zu vermitteln, dass dies auch von der politischen Führung des Ressorts angestrebt und ermöglicht wird. Vertrauensdefizite gegenüber der Justizpolitik färben aufgrund der bestehenden Abhängigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften in Personal- und Budgetfragen auch unmittelbar auf deren Arbeit ab. Ob die neue Justizministerin diese Zeichen erkennt und sich den politischen Freiraum verschaffen kann, darauf zu reagieren, bleibt hoffnungsvoll abzuwarten. Die bisherigen Kontaktgespräche zwischen der Standesvertretung und der Frau Bundesministerin verliefen von beiden Seiten sachlich und engagiert, wesentliche Entscheidungen, die Zustimmung oder Ablehnung herausfordern, sind jedoch noch nicht gefallen. Ein erstes Warnsignal für die Standesvertretung ist jedoch das kürzlich vorgestellte und offenbar noch in der Zeit der früheren Ressortleitung entwickelte neue Medienkonzept der Justiz, das viel zu ministeriumslastig und angetan ist, den Eindruck zu vermitteln, die Bundesministerin und ihr Apparat seien der Sprecher der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Der neben dem politischen Pressesprecher der Bundesministerin einzurichtende zentrale fachliche Mediensprecher für Einzelrechts- und -strafsachen muss, als klarer Ausdruck der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung, beim Obersten Gerichtshof und bei der Generalprokuratur angesiedelt werden. Die neu gewählten Organe der gewerkschaftlichen Standesvertretung brauchen für eine erfolgreiche Arbeit, nicht nur im engen Bereich dienst- und besoldungsrechtlicher Fragen, sondern auch zur Umsetzung von Strukturreformen – gemeinsam mit Richter- und Staatsanwaltschaftsvereinigung - mehr denn je die Unterstützung in der Kollegenschaft. Um diese Unterstützung ersuche ich als wiedergewählter Vorsitzender der Bundesleitung auch im Namen der Betriebsausschüsse und der Landesleitungen. Die Kontinuität in der Standesarbeit ist Teil der erfolgreichen Einbringung und Umsetzung auch von Standesinteressen in das politische Geschehen. Als Vorsitzender fühle ich mich diesem Prinzip verpflichtet. Den ausgeschiedenen - weil nicht mehr kandidierenden - Kolleginnen und Kollegen der Gremien danke ich für ihr Engagement und ihre loyale Mitarbeit. |