Sommerzeit in der Justizvon Manfred Herrnhofer
Mit dem Begriff Sommerzeit assoziiert mann/frau im Allgemeinen Sonnenschein, Urlaubsfreuden, Entspannung und Absenz vom hektischen Arbeitsalltag. In Verbindung mit dem Gerichtsbetrieb wird nach wie vor - wie im Schul- und Universitätsbetrieb - an "Gerichtsferien", verbunden mit 9 Wochen eingeschränkten oder überhaupt keinen Aktivitäten, gedacht. Abgesehen davon, dass diese Assoziationen für die Rechtsprechung und die justiziellen Strafverfolgungsbehörden aufgrund des Arbeitsanfalls nie stimmten, wird der mittlerweile auch in der Öffentlichkeit wahrgenommene chronische Personalmangel an den österreichischen Gerichten und Staatsanwaltschaften gerade in den Sommermonaten für die urlaubsbedingt Abwesenden zur moralischen Belastung, für die Anwesenden schlicht zu einer nicht bewältigbaren Sisyphosaufgabe. Schilderungen von Geschäftsstellenleitern über die Vertretung in vier Abteilungen sind keine Seltenheit, zusätzlich zu Parteienverkehr und Telefondienst, konfrontiert mit gereizten oder zunehmend aggressiven Parteien. Seit Jahren ist im richterlichen Bereich das Phänomen des Aufbaus von Urlaubsrückständen in statistisch signifikanter Form beobachtbar - leicht nachvollziehbar, wenn mann/frau bedenkt, dass im Gegensatz zu vielen anderen Berufsgruppen die angefallene Arbeit meist nicht erledigt wurde, sondern den Urlaubsrückkehrer freudig erwartet. Punkto Standesvertretung ist es schon gute Tradition, dass in den vergangenen Jahren - sei es nun beabsichtigt, sei es eine bloß zufällige zeitliche Fügung - vom PAR II-Projekt bis diversen Justizentlastungspaketen und Vorbereitung von Planstellenverhandlungen samt Maßnahmen bis hin zu aktuellen Gesetzesvorhaben (zB Stellungnahmen zu einem Lobbyistengesetzesentwurf, laufende dienstrechtliche Fragen) die Sommermonate mit hohem Arbeitspensum gefüllt sind. Mitten hinein in dieses frohe Schaffen platzt die Kunde, dass im OLG-Sprengel Wien zum Zwecke des für Oktober geplanten Starts der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ("WKStA") vorerst keine Richterplanstellen mehr ausgeschrieben werden sollen, solange diese Behörde nicht den geplanten Personalstand erreicht hat! Im ersten Ministergespräch mit den Standesvertretungen und bei mehreren weiteren Begegnungen wurde auf den drohenden Fehlschlag der Personalrekrutierung und damit der Funktionsfähigkeit dieser Behörde eindringlich hingewiesen und seitens der Vereinigung der Staatsanwälte - bislang vergeblich - auch neue Lösungsvorschläge präsentiert. Zur Erinnerung: Mit dem sogenannten "strafrechtlichen Kompetenzpaket kurz sKp" wurde nach anfänglichem Vorschlag der Konzentration von Wirtschaftsstrafsachen im Ermittlungs- und Hauptverfahren bei vier Standorten und Ablehnung durch die Standesvertretungen quasi über Nacht ein "verbesserter" Vorschlag mit der Konzentration auf einen Standort unter "Fusion" mit der Korruptionsstaatsanwaltschaft eingebracht und trotz Protest und massiver Bedenken zur Ressourcenfrage im Parlament verabschiedet (siehe Stellungnahme zu sKp unter www.richtervereinigung.at). Lediglich die Konzentration der Wirtschaftsstrafsachen auf einen Gerichtsstandort wurde nach heftigem Protest der Standesvertretungen fallengelassen. Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass die gleichzeitig begonnenen Maßnahmen zu einer Intensivierung der Ausbildung richterlicher und staatsanwaltschaftlicher Entscheidungsorgane in wirtschaftlichen Belangen ausdrücklich begrüßt wurden. Natürlich bedarf es an Aufrichtigkeit und Rückgrat, um eine verfehlte politische Schnellschuss-Maßnahme zum Zwecke der Demonstration von Handlungsfähigkeit zurückzunehmen, aber der einzige Weg aus der Sackgasse ist die Umkehr! Es bleibt zu hoffen, dass FBMJ Dr. Karl die Fehler der Vergangenheit nicht prolongieren will und das einstige Prestigeprojekt ohne nachhaltige Substanz nochmals überdacht wird, ehe es zu noch größeren Schäden im Gerichts- und Staatsanwaltschaftsbetrieb durch Nichtbesetzung dringend benötigter Planstellen kommt. Der Vorwurf der Klassenjustiz ist naheliegend, denn bei all den "clamorosen" Fällen sollten wir den Blick auf die unzähligen Unterhalts-, Familien-, Sachwalterschafts-, Zivil-, Exekutions-, Grundbuchs-, Arbeits- und Sozialrechtssachen, die das Gros unserer Tätigkeit ausmachen, nicht vergessen, denn kein Mensch würde es verstehen, wenn wegen korrupten Bankmanagern und Politikern gerade sein Anliegen wegen "Auffüllung" einer solchen Sonderbehörde auf die lange Bank geschoben würde. Offensichtlich wurde im Reformeifer ungeachtet der warnenden Stimmen auf die notwendige Überzeugungsarbeit bei den "Einsatzkräften" vergessen, oder ist es schlicht so, dass es eben keine überzeugenden Gründe für dieses Konzept gibt. Eine quasi Zwangsverordnung zur Dienstverrichtung an einer Behörde wird jedenfalls von den Standesvertretungen keinesfalls akzeptiert werden. Nicht zuletzt gab es anlässlich der Verhandlungen mit dem Bundes- und Vizekanzler im Jahre 2010 auch ausdrücklich die Zusage zur Evaluation der Planstellensituation im Jahre 2011. Wir werden jedenfalls unsere berechtigten Anliegen erneut den politisch Verantwortlichen vortragen, die zuständigen Gremien und die Kollegenschaft über deren Reaktionen unverzüglich informieren und danach die Situation bewerten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass einem heißen Sommer ein heißer Herbst folgt! |